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Berlin: Spitze ab, die zweite

Ein stadtbekannter Querulant hat den Weihnachtsbaum an der Gedächtniskirche verstümmelt

Bislang hatte es Andreas R. mit seinem unflätigen Geschimpfe nur auf Gottesdienste und Parlamentssitzungen abgesehen. In der Nacht zu Freitag hat der Querulant nun die Spitze des Weihnachtsbaums vor der Gedächtniskirche abgesägt. Ein Wachschutzangestellter wurde leicht verletzt, als die fünf Meter hohe Spitze herunterstürzte. Andreas R. und sein 28 Jahre alter Helfer wurden festgenommen, nach einer Vernehmung wieder entlassen. Sie hatten Flugblätter bei sich, in denen gegen die Kirche und das Weihnachtsfest polemisiert wurde. Die gesamte Aktion wurde von einem Kamerateam und zwei Fotografen aufgenommen. Da Zeugen gesehen hatten, dass die fünf Journalisten zeitgleich mit den Tätern den Weihnachtsmarkt betraten, ermittelt die Polizei nun wegen Beihilfe gegen das Kamerateam. Ihr Filmmaterial wurde beschlagnahmt. Bei der Polizei gaben sie an, für Pro 7 zu arbeiten. Der Münchener Sender stritt gegenüber dem Tagesspiegel eine Beteiligung jedoch ab. An der Gedächtniskirche sei das Team einer unabhängigen Produktionsgesellschaft gewesen und keines von Pro 7, sagt Pro-7-Sprecherin Dagmar Müller. Das Team habe „weder mit unserem Wissen, noch in unserem Auftrag“ gedreht, Der Sender habe auch kein Interesse.

Der Täter mit der Säge ist der Kirche bekannt – seit Jahren hat Andreas R. Hausverbot in allen Gotteshäusern Berlins. In den vergangenen Jahren soll der kirchlich nicht gebundene Mann mindestens zwanzig Veranstaltungen massiv gestört haben, vor allem durch lautstarkes Zitieren aus der Bibel und wüste Beschimpfungen. Bekannt wurde R. auch durch die Beleidigung des Regierenden Bürgermeisters Wowereit bei der Trauerfeier für Hildegard Knef in der Gedächtniskirche im Februar 2002. Für seine Entgleisung „Schwulsein ist Sünde“ und den Hausfriedensbruch wurde R. im Januar dieses Jahres zu 300 Euro Geldstrafe verurteilt. Gemeinsam mit seinem 28 Jahre alten Gesinnungsgenossen hatte R. aber auch im Reichstag die Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder durch Zwischenrufe von der Zuschauertribüne gestört.

Der arbeitslose Hilfsarbeiter zieht vor allem gegen Schwule, Abtreibungen und die Ökumene zu Felde. Wie Helmut Hoeft von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirchengemeinde sagte, sei besonders Bischof Huber permanent von den Störungen betroffen. Die evangelische Kirche hat gegen den Hilfsarbeiter wiederholt Anzeige gestellt, zur Raison gebracht worden sei der Mann dadurch jedoch nicht.

In diesem Jahr hat Berlin viel Pech mit den Weihnachtsbäumen. Nach dem Protest gegen die zunächst am Breitscheidplatz aufgestellte „Mickerfichte“ hatte die Stadt Winterberg Anfang des Monats einen neuen Baum gespendet und geliefert. In der Nacht zum 6. Dezember hatten Studenten den großen Weihnachtsbaum vor dem Roten Rathaus die Spitze abgeschnitten und ein Protestplakat „Gekürzt“ in den Baum gehängt.

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