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Recht standhaft. Zwischen Margarete Koppers und Frank Henkel gibt es kein Kommunikationsproblem, heißt es bei der Berliner Polizei.

© dapd

Spitzel-Affäre: LKA Sachsen warnte Berlin vor V-Mann

In der Berliner Spitzel-Affäre werden neue Vorwürfe gegen das LKA laut. Die Beamten dort hätten bei der Anwerbung des mutmaßlichen NSU-Vertrauten Thomas S. eigenmächtig gehandelt und Warnungen ignoriert. Auch in der Politik geht die Suche nach den Verantwortlichen weiter.

Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen hat die Berliner Polizei offenbar vor dem Neonazi Thomas S. aus dem NSU-Umfeld gewarnt. Nach Tagesspiegel-Informationen hatten beim Anwerben von S. als V-Mann im November 2000 nicht nur Berliner Beamte rechtliche Bedenken, sondern vor allem sächsische Polizisten. Sie stuften S. offenbar als problematisch ein, schon weil davon auszugehen sei, dass man dem V-Mann keine Vertraulichkeit garantieren könne. Die sächsischen Beamten waren wohl davon ausgegangen, dass S. auch als Spitzel weitere Straftaten begehen wird, die man anderen Behörden gegenüber nicht unerwähnt lassen könne. Dies geht aus Berliner Polizeiakten hervor, die von Kennern eingesehen worden sind. S. war von Berliner V-Mann-Führern wie üblich volle Vertraulichkeit zugesichert worden. Inwiefern der Rechtsextreme aus Chemnitz während der zehn Jahre als V-Mann strafrechtlich aufgefallen ist, steht nicht abschließend fest.

In der Debatte um den Umgang der Berliner Behörden mit dem Ex-Spitzel wird derweil intensiver nach Verantwortlichen gesucht. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte erklärt, angesichts dessen, was ihm die Polizeiführung nach Gesprächen mit der Bundesanwaltschaft mitgeteilt hat, habe er sich angemessen verhalten. Die Behörde in Karlsruhe widersprach einer dabei angeblich getroffenen Absprache, sich vorerst nicht zum V-Mann Thomas S. zu äußern. Nun stellen einige die Frage, inwiefern die Zusammenarbeit von Polizei-Vizepräsidentin Margarete Koppers und ihrem Dienstherrn Henkel noch klappt.

Die Kommunikation zwischen der amtierenden Polizeichefin und dem Senator wird nicht zum ersten Mal kritisiert. Am 1. Mai dieses Jahres hatten Beamte an der Route der traditionellen 18-Uhr-Demonstration mit Schwarzpulvergemisch gefüllte Rohre gefunden. Den Fund der Sprengkörper hatte die Polizeiführung dem Innensenator tagelang nicht gemeldet. Koppers sagte später: „Ich habe es versäumt, den Senator persönlich über den aktualisierten Sachstand zu informieren.“

Bildergalerie: Die Berliner V-Mann-Affäre

Dagegen stellte ein Polizeisprecher am Donnerstag klar: „Die Kommunikation zwischen der Polizeiführung und dem Innensenator ist gut und vertrauensvoll.“ Das sehen vor allem in der Opposition im Abgeordnetenhaus einige anders, betonten aber, Henkel sei in der politischen Verantwortung. Die Schuld an etwaigen Pannen anderen zu geben, der Bundesanwaltschaft oder der Polizeichefin, sei inzwischen wohl üblich, sagte Udo Wolf (Linke). So habe Henkel schon nach der verpatzten Rockerrazzia in diesem Mai von sich selbst abgelenkt. Und wenn Koppers mit Blick auf den NSU Fehler gemacht habe, sei dies politisch ein Fall für Henkel. „Er muss so etwas intern klären“, sagte Wolf. Ähnlich sehen es die Grünen. Auf Druck der Opposition soll am kommenden Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses weiter über die V-Mann-Affäre gesprochen werden.

Polizeibeamte nehmen Koppers in Schutz.

In der CDU hält man sich mit öffentlichen Bekundungen zurück. Am Mittwoch hatten Abgeordnete der Union durchblicken lassen, dass Koppers den Senator womöglich falsch informiert habe – die Verantwortung läge demnach bei ihr und nicht bei Henkel. Am Donnerstag hieß es aus der CDU, der Streit zwischen beteiligten Behörden sei kontraproduktiv, wesentlicher sei, die Taten des NSU aufzuklären. Dies sieht man in der Opposition insofern ähnlich, als dass niemand lautstark Henkels Rücktritt fordert. „Der Senat soll aufklären“, sagte Wolf.

Vom Bund Deutscher Kriminalbeamter hieß es, die Kommunikation zwischen Polizeiführung und Innensenator sei angesichts der zahlreichen Vorkommnisse in diesem Jahr immer noch gut. Sollten Politiker versuchen, die Verantwortung für Pannen bei Koppers festzumachen, sei dies mindestens „menschlich unfair“.

Bildergalerie: Die Berliner V-Mann-Affäre

Innenexperte Benedikt Lux (Grüne) beklagte, dass es über die Treffen des Berliner LKA mit dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer und V-Mann Thomas S. keine „ungefilterten Informationen“ gebe. Damit sei eine Aufklärung der Vorgänge kaum möglich. Das LKA müsse prüfen, ob weitere Unterlagen vorhanden seien. Zu den polizeiinternen Bedenken, den seinerzeit aktiven Rechtsextremen S. als V-Mann anzuwerben, sagte Lux: Die Umstände der Anwerbung des Spitzels müssten geklärt werden, zumal erfahrene Beamte offenbar Zweifel hatten. Andere Abgeordnete sprachen davon, dass sich nach Aktenlage ein „merkwürdiges Bild“ des LKA zeichne. Einige Beamte hätten dort wohl eigenmächtig agiert, nach dem Motto: „Es ist mir egal, wer über mir regiert.“ Angeworben wurde V-Mann Thomas S. unter Innensenator Eckart Werthebach (CDU).

Ob die Debatte um den NSU-Komplex die Besetzung des vakanten Postens des Polizeipräsidenten beeinflussen wird, ist nicht abzusehen. Im Umfeld der Senatsspitze hieß es, die V-Mann-Affäre habe auf die Personalie keinen Einfluss: Kandidat oder Kandidatin müssten viele Kriterien erfüllen, die Entscheidung könne schlecht von einem Einzelfall abhängen. Viele in der SPD trauten Koppers das Amt weiter zu. Neben ihr gibt es wohl 15 weitere Kandidaten für den Posten.

Auf Koppers und Henkel könnte ein Termin vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zukommen. Wolfgang Wieland, Grünen-Obmann im Ausschuss, will die beiden vorladen. Noch ist nicht entschieden, ob sie tatsächlich kommen sollen. Die SPD würde lieber die beiden V-Mann-Führer des Berliner LKA anhören, die den Kontakt zu S. hielten. Sicher scheint jedoch, dass Henkels langjähriger Vorgänger, Ehrhart Körting (SPD), vor den Ausschuss geladen wird. Der größte Teil der V-Mann-Tätigkeit von Thomas S. fällt in Körtings Amtszeit. Er selbst hatte gesagt, von S. nichts gewusst habe. Dennoch hatte er sich aus der Bund-Länder-Kommission „Rechtsterrorismus“ zurückgezogen.

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