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Berlin: Sport- und Erlebniszentrum: Jede Woche ein Rohrbruch

Ein großer, goldfarbener Schlüssel mit der gravierten Jahreszahl 1981 hängt an der Wand des kleinen Sitzungszimmers im Sport- und Erlebniszentrums (SEZ) in der Landsberger Allee 77. Erich Honecker persönlich eröffnete mit diesem Schlüssel die Ost-Berliner Attraktion, die das erste Wellenbad der gesamten Stadt aufwies.

Ein großer, goldfarbener Schlüssel mit der gravierten Jahreszahl 1981 hängt an der Wand des kleinen Sitzungszimmers im Sport- und Erlebniszentrums (SEZ) in der Landsberger Allee 77. Erich Honecker persönlich eröffnete mit diesem Schlüssel die Ost-Berliner Attraktion, die das erste Wellenbad der gesamten Stadt aufwies. Im SEZ wurde - unter dem sozialistischen Decknamen Popgymnastik - die US-Sportart Aerobic der ostdeutschen Bevölkerung nahegebracht, mit Übertragung in der Fernsehsendung "Musik nach Noten".

"Die Leute standen in Dreierreihen Schlange, um hinein zu kommen", erinnert sich SEZ-Geschäftsleiter Jens Schönherr. An Spitzentagen kamen rund 10 000 Besucher, um die vielen Angebote des Schwimm- und Freizeitkomplexes zu nutzen: sieben Schwimmbecken, Bowlingbahn, Polarium (Eislaufen im Winter, Rollschuhfahren im Sommer), Sauna, Fitnessräume. Allein die Schwimmhalle besuchten rund 5000 DDR-Bürger pro Tag. Diese goldenen Zeiten sind seit Jahren vorbei. Heute, wo sich das Angebot um Badminton, Tischtennis, Billard, Solarium, Eisdisco und sogar um den einzigen Schwimmbadkindergarten Berlins erweitert hat, ist ein guter Tag einer mit rund 5000 Besuchern, davon wollen etwa 2000 zum Schwimmen. "Wir haben täglich Anrufer, die fragen, ob es das SEZ noch gibt", erzählt Schönherr. Auf den arglosen Betrachter wirkt das Gebäude intakt und einladend, doch die Innereien des Hauses sind marode.

Seit April dieses Jahres ist der Bowlingbereich im Keller wegen Hygienemängeln geschlossen. "Ein Schwimmbad muss nach 15 Jahren Betrieb erneuert werden", sagt Klaus Schulze, Regionalleiter der Berliner Bäderbetriebe (BBB), der von 1990 bis 1996 technischer Leiter des SEZ war. Das sei nicht geschehen, "weil seit 1990 die Arie der Privatisierung gesungen wird": Niemand wollte öffentliche Mittel in ein Bad stecken, das möglicherweise von einem privaten Investor übernommen wird. Seit 1998 untersteht das SEZ den Bäderbetrieben, einer Anstalt öffentlichen Rechts, doch die "Arie der Privatisierung" erfährt eine Reprise: Zu einer GmbH, wenn auch unter dem Dach der Bäderbetriebe, soll das Bad nun werden. Parallel zur Suche eines privaten Interessenten werden seit einer Woche zwei Millionen Mark verbaut: Im Keller reißen Bauarbeiter die Decken und den Fußboden auf. Alle Kabel kommen raus, der runde Tresen wird vergrößert. Die Sitzgruppen vor den Bowlingbahnen erhalten ein neues Design. Auch die Bowlingküche, deren Fliesen seit Jahren mit zu scharfen Putzmitteln aufgerauht wurden und deshalb eine Brutstätte für Krankheitserreger bilden, wird saniert, die Tiefkühltechnik - viele Geräte stammen noch aus DDR-Betrieben - modernisiert.

Wenn das SEZ am 20. März 2001 sein 20-jähriges Bestehen feiert, werden die Sanierungsarbeiten des Gesamtkomplexes noch nicht begonnen haben. Frühestens im Sommer 2001 starten die großen Bauarbeiten für 25 Millionen Mark, geliehen von der Bank, als Bürge zeichnet das Land Berlin. "Alle Rohre müssen raus", sagt Schulze, denn das zinkhaltige Material rostet an vielen Stellen. "Jede Woche haben wir einen Wasserrohrbruch." Duschen, Toiletten, Waschbecken, Umkleidekabinen und Fliesen werden ebenfalls ersetzt. Die 19 Jahre alte Sauna, derzeit bescheidene 60 Plätze, soll größer und schöner werden, das Schwimmbad erhält nierenförmige Becken.

Auch eine große Fun-Rutsche steht auf der Wunschliste. Ob sie 40 Meter, 80 Meter oder noch länger wird, weiß aber noch niemand. Denn das alte Sanierungskonzept des Senats, das auf 35 Millionen Mark Baukosten basierte, muss abgespeckt werden. "Angedacht" sind zwar nach Angaben des kommissarischen BBB-Vorstands Jürgen Kießling auch Tennisplätze und Sporthallen auf unbebauten Freiflächen - "aber das ist Zukunftsmusik".

150 Minuten Schwimmen und Erholen kosten im SEZ an der Landsberger Allee Ecke Petersbruger Straße zehn Mark, ermäßigt fünf Mark. Ein Badminton-Platz kann für 15 Mark pro Stunde gebucht werden. Das SEZ ist täglich von 9 bis 22 Uhr, montags ab 11 Uhr geöffnet. Auch am 30. und 31. Dezember sowie am 1. Januar 2001 lädt das Bad zum Besuch ein. Die Telefonnummer lautet 42 18 23 20.

Katharina Körting

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