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Tennisstar in Kleinformat. Der zehnjährige Peer ist noch Anfänger als Spieler.

© Thilo Rückeis

Sportcamp für Schüler in Berlin: Ferien auf dem Tennisplatz

Sportcamps sind eine willkommene Abwechslung für Schüler, deren Eltern keinen Urlaub mehr haben. Der Tennisclub Tempelhof bietet eines an. Sieben Trainer sorgen dabei für Spaß.

Kleine, verwirrende Figuren ziehen sich über die ganze Fläche, eine wilde Choreografie aus Punkten und pistolen- oder bratwurstähnlichen Formen. Die Tischplatte sieht aus wie ein modernes Kunstwerk. Ästhetisch ein interessanter Anblick.

Vor allem aber sind die Formen Teil eines Problems.

Die Muster sind kleine Pfützen, Spuren des heftigen Regens, der gerade über der Anlage des Tennisclubs Tempelhof niedergegangen ist. Es ist Montag, 10 Uhr, die Plätze sind nass und auf der Terrasse, neben den Tischen, murmelt Atila Habeck: „Hoffentlich können wir auf die Plätze, sonst müssen wir einen Spielevormittag im Klubheim machen.“

Spielevormittag? Auf der Terrasse stehen 37 Kinder und Jugendliche sowie sieben Trainer, darunter Habeck. So haben sie sich den Auftakt des Tenniscamps eigentlich nicht vorgestellt.

Eigentlich ist es ja ein Sportcamp, viele Vereine bieten so etwas in der letzten Ferienwoche an, in allen möglichen Sportarten. Für Schüler eine gute Ferienbeschäftigung, für Eltern, die keinen Urlaub haben, eine spürbare Entlastung. Der TC Tempelhof veranstaltet solche Camps seit 30 Jahren.

Die Sonne bricht durch, die Plätze trocknen doch noch und Svetolik Stojilikovic klopft mit einem Kugelschreiber gegen ein Glas – Signal für den Beginn. Der Serbe leitet das Camp, ein kleiner, drahtiger Mann mit ansteckendem Lachen und der Erfahrung von 45 Jahren Camptraining. „Das Wichtigste ist, dass die Kinder Spaß haben“, sagt er. Zwei Drittel der Teilnehmer sind ohnehin Klubmitglieder, wenn vom Rest danach ein paar zum TC kommen, ist ein Nebenzweck des Camps erreicht.

37 Kinder, das bedeutet Stress für die Trainer

37 Kinder, so viele waren es noch nie. Das erhöht den Stress, jedenfalls für die Trainer. „Du musst sie ständig beschäftigen“, sagt Stojilikovic, „für die Betreuer ist das sehr anstrengend.“ Es ist ja nicht bloß vom Anfänger bis zum erfahrenen Spieler alles dabei, Kinder sind auch schnell demotiviert oder lustlos, wenn sie nicht gefordert werden.

Sieben Gruppen bildet der Teamleiter in diesem Camp, aufgeteilt nach Spielstärke. Der Verein hat sechs Plätze, den siebten stellt ein benachbarten Klub zur Verfügung. Acht der Kinder kennt Stojilikovic noch nicht, sie werden erst mal auf ihr Können getestet.

Atila Habeck hat drei von ihnen geschnappt, stellt sie auf einer T-Linie von Platz 2 auf und spielt ihnen leicht Bälle zu. Die Kinder schlagen Luftlöcher oder knallen die Bälle in alle Himmelsrichtungen, nur nicht ins Feld. Stojilikovic schaut zu. „Alles Anfänger“, brummt Habeck am Netz, der Serbe notiert.

"Das ist Fanny. Sie wird mal eine Rakete"

Die Anfänger kommen zu Sascha Volk, einem Mittdreißiger mit mächtigen Muskeln und raspelkurzen Haaren. Im Klub arbeitet er hauptamtlich als Trainer. Jetzt macht er mit den Sechs-, Sieben- und Achtjährigen erst mal Koordinationsübungen. Die Kinder hüpfen abwechselnd mit dem linken und rechten Fuß auf einen Tennisball, dann stehen sie sich gegenüber und werfen sich gleichzeitig einen Ball zu. Den müssen sie dann fangen. Übungen mit dem Schläger kommen später, das ist Teil des normalen Trainingsplans für diese Gruppe.

Volk ändert schnell die Übungen, Abwechslung ist ein Schlüsselwort. „Probleme, die auftauchen, sind Unruhe oder Lustlosigkeit“, sagt er. Seine Antwort lautet: Wettbewerb. Kinder lieben Wettbewerbe. Wenn sie mal zu langsam Bälle einsammeln, schlägt Volk ein Spiel vor: „Schaffen wir es, alle Bälle in einer Minute einzusammeln?“ Dieser Anreiz, sagt Volk, funktioniere bis zur Gruppe der Zehnjährigen.

Die Trainer haben natürlich ihren Plan für den Tag, sie besprechen sich auch jeden Vormittag, aber Kinder sind nicht programmierbar, sie sind eine permanente Herausforderung. „Du musst ständig neue Ideen kreieren“, sagt Atila Habeck. Er arbeitet seit 15 Jahren in Feriencamps, er musste schon alle möglichen Situationen bewältigen. „Wir sind vorbereitet“, sagt der 39-Jährige, „aber du musst auch mal spontan reagieren.“

Jetzt hat er die Besten des Camps in seiner Gruppe. Er spielt ihnen zu, sie retournieren mit der Rückhand. Eine hochgewachsene Zwölfjährige im lila T-Shirt und lila Rock spielt die Bälle beeindruckend stark zurück. Stojilikovic beobachtet sie aus den Augenwinkeln vom Nebenplatz. „Das ist Fanny“, sagt er in einer Pause. „Sie wird mal eine Rakete.“ Die Zwölfjährige trainiert zweimal pro Woche bei dem Serben. 24 Spieler und Spielerinnen hat er als Trainer schon zum Berliner Meistertitel geführt. „Sie wird Nummer 25.“ Da ist er sich ziemlich sicher.

Stojilikovic ist auf Platz 1, er hat auch gute Spieler in seiner Gruppe. Sie warten kurz vor der Grundlinie, Stojilikovic spielt ihnen den Ball zu, dann schlagen sie zurück und müssen zum Netz und den nächsten Ball ins Feld schmettern.

Die Kinder wechseln täglich den Trainer

Trotzdem, der Serbe hat auch die anderen Plätze im Blick, er beobachtet immer wieder die anderen Kinder. Das ist Teil seines Jobs. „Manchmal“, sagt er, „fällt mir etwas auf.“ Dann redet er mit dem betreffenden Trainer.

Irgendwann in der Woche werden auch die Anfänger bei dem Serben trainieren, das ist Teil der Plans. Jeder Trainer hat jeden Tag eine neue Gruppe, auch ein Teil der Abwechslung, „Jeder Spieler soll mal bei jedem Trainer trainiert haben“, sagt Sascha Volk. Der neunjährige Murat, rotes T-Shirt, blonde Haare, die ins Gesicht fallen, ist über Abwechslung wohl ganz froh. Volk kennt er ja zur Genüge. Er spielt seit fünf Jahren beim TC Tempelhof, er trainiert jeden Dienstag bei Volk, er findet das Camp „gut“. Vergangenes Jahr war er auch schon dabei.

Auch der zehnjährige Peer, als Tennisspieler Anfänger, sagt: „Das ist schon eine coole Sache. Mir gefällt es hier.“ Es hat allerdings auch schon andere Töne gegeben. Auf dem Platz des TC, sagt Stojilikovic, „standen auch schon Kinder, die keine Disziplin kennen“. Mit denen führt der Campleiter erst mal Gespräche. In der Regel hilft das. Im vergangenen Jahr hat’s nicht geholfen. Da hat er einen Jungen aus dem Camp geworfen. Bälle wegschießen, andere Kinder beleidigen, so was geht einfach nicht.

Für Atila Habeck sind solche Kinder „eine Herausforderung“. Er will den Kindern ja Spaß vermitteln, das wird allerdings schwierig, wenn einer keine Grenzen kennt. Störenfriede, die auf Gespräche nicht reagieren, schickt er notfalls 20 Minuten auf die Terrasse, zum Abkühlen. „Das ist allerdings die Ausnahme.“ Und in aller Regel zeigt die Auszeit die gewünschte Wirkung.

Nicht immer allerdings. „Manche“, sagt Habeck, „freuen sich sogar, wenn sie rausgestellt werden. Denn dann beschäftigen sie sich mit etwas anderem.“ Neben dem Klubhaus steht ein Trampolin.

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