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Marathon

© David Heerde

Sportereignis: Zieleinlauf bei 1476,825 Kilometern

Heute läuft er die Strecke zum 35. Mal: Bernd Hübner war 1974 beim ersten Berliner Volkslauf am Start. Seither hat er keinen einzigen Marathon ausgelassen.

Vier Toasts mit Bananen und Honig hat Bernd Hübner gestern Abend gegessen. Das ist sein Ritual. Heute genauso wie vor 35 Jahren, als er das erste Mal dabei war beim Marathon in Berlin – beim ersten Straßenlauf in der Hauptstadt. An den Start gegangen sind damals, am 13. Oktober 1974, noch nicht einmal 300 Läufer. Heute sind es über 40 000. Und mitten unter ihnen: Bernd Hübner.

Es ist also das 35. Mal für den 61-Jährigen an diesem Sonntag. „150 000 Kilometer habe ich bestimmt schon zusammen“, schätzt Hübner. Als 16-Jähriger hat er mit dem Laufen angefangen. Und das eher aus einer Not heraus. „Eigentlich war ich Ruderer.“ Weil die Gewässer im Winter aber zugefroren waren, habe er sich irgendwie anders fit halten müssen. Es wurde das Laufen, mit dem Nebeneffekt, dass der Berliner richtig Spaß daran gefunden hat.

1974 ist Hübner dann durch Zufall auf die Ausschreibung zum „1. Berliner Volkslauf“, der damals noch durch den Grunewald führte, gestoßen. „Ich wollte einfach mal mitmachen“, sagt er. Immer mehr hat er sich in den nächsten Jahren aufs Laufen konzentriert, bis er schließlich ganz „konvertiert“ ist. „Mit meinen 27 Jahren war ich auch schon ein alter Herr beim Rudern.“ Trainiert hat er alleine oder mit einem Trainer. Professionell habe er das Laufen allerdings nie betreiben wollen. „Ich war immer zu langsam und auch schon zu alt.“

Den Spaß am Laufen hat Hübner nie verloren. Seit zehn Jahren organisiert er einen Lauftreff, trainiert regelmäßig in seiner Freizeit. Einen Ruhetag in der Woche gönnt er sich mittlerweile, immerhin: „Jetzt bin ich nicht mehr so verrückt wie früher.“ Da habe er sein Trainingsprogramm auch schon mal an 365 Tagen im Jahr durchgezogen.

Heute startet Hübner seinen 102. Langstreckenlauf überhaupt. Das habe sich irgendwie so angesammelt, sagt er. Kein Wunder, Hübner gönnt sich keine Pause: Im Januar 2005 bekam er die Diagnose Prostata-Krebs, im April folgte die Operation — sie verlief erfolgreich. „Ich habe direkt nach der Zeit im Krankenhaus wieder mit dem Training begonnen“, erzählt Hübner. Das sei wohl zu viel gewesen: Der Miniskus riss. Kurz vor dem Marathon. Er ist trotzdem angetreten, mit einem Verband: „Ich wollte es unbedingt.“ Die Operation musste auf danach verschoben werden.

In diesem Jahr geht Hübner ohne Handicap an den Start. Über 40 000 andere Profis und Amateure sind heute mit ihm auf den klassischen 42,195 Kilometern quer durch die Stadt unterwegs. Für Hübner „ein tolles Erlebnis, mit so vielen Läufern unterwegs zu sein“. Ein komisches Gefühl sei es aber schon: „Was wir im Kleinen begonnen haben, ist heute ein richtig professionelles und kommerzielles Massenevent.“ Mit „wir“ meint Hübner außerdem Horst Milde, den Gründer des Berlin-Marathons, der mit den Jahren ein guter Freund geworden sei.

Hübner hat heute alle Hände voll zu tun. Er muss die alten Freunde begrüßen, die ihrem „Hübi“ vom Seitenstreifen aus zujubeln. Und wie immer hat er seinen Fotoapparat dabei. Für Bernd Hübner ist der Marathon auch eine Reise in die Vergangenheit: „Es geht durch ganz Berlin, auch Neukölln, wo ich aufgewachsen bin.“

Entspannen will er nach dem Lauf mit ein paar Freunden – natürlich Laufkollegen. Und gibt es noch ein Leben neben dem Laufsport? Hübner lacht: „Vor kurzem habe ich ein ganz neues Hobby entdeckt“ – und ein anderes Tempo. Er wandert durch Berlin. „Ich schaue mir die Stadt aus Blickwinkeln an, die ich bisher so nicht kannte.“ Außerdem freut er sich schon auf die zwei Wochen im Dezember, die er mit seiner Frau auf Fuerteventura verbringt. Seit vielen Jahren fliegen die beiden dort hin. „Ich bin ein einfacher Mensch, fühle mich wohl auf dieser kargen, einfachen Insel“, sagt Bernd Hübner.

Ans Aufhören denkt der Langstreckenläufer noch lange nicht: „2023 will ich meinen 50. Berlin-Marathon laufen.“ Vielleicht isst er auch davor wieder Toast mit Bananen und Honig.Anja Brandt

Anja Brandt

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