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Sportwaffen: "Die sollten lieber das Internet verbieten"

Sportschützen fühlen sich kriminalisiert. Schon seit der Bluttat von Erfurt bleibt der Nachwuchs aus - nach dem Amoklauf von Winnenden wird erneut ein Verbot von Sportwaffen gefordert.

Von Sandra Dassler

Fabian K. konzentriert sich. Wartet, bis sein Körper völlig ruhig ist, das Ein- und Ausatmen nicht mehr den geringsten Wackler seines ausgestreckten rechten Armes auslöst. Dann drückt er ab.

Augenblicklich löst sich die Spannung. Fabian K. lächelt, schiebt sich eine Locke aus der Stirn und entsichert seine Luftpistole. Ein Knopfdruck, und die Schießscheibe am anderen Ende der Zehn-Meter-Bahn saust auf einer Zugmaschine zu ihm. Fabian K. nimmt sie aus der Halterung. „Nur eine Sechs“, bedauert er. „Das wird wieder besser“. Der Informatiker aus Frankreich ist zum ersten Mal auf dem Schießstand der Schöneberger Schützengilde in einer flachen Halle in der Monumentenstraße.

Im kleinen Vereinslokal nebenan unterhalten sich einige Schützen bei Bier und Dart. Auch eine Frau ist dabei. Sie kommt aus Oberfranken, wo es in jedem Kaff einen Schützenverein gibt, wie sie erzählt. In Berlin sei das ganz anders. Da seien Sportschützen für viele nichts weiter als militante Schießwütige, erzählen die Männer. Nach dem Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002 gab es viele Anfeindungen. Und jetzt gehen sie wieder los, die Diskussionen um ein Verbot von Sportwaffen.

Fabian K. ist höchstens Anfang 30 und an diesem Freitag mit Abstand der Jüngste auf dem Schießstand in Schöneberg. „Wir haben große Nachwuchsprobleme“, sagt Klaus Müller. Er hat Standaufsicht, denn bei Sportschützen gelten strenge Regeln.

Die Schöneberger schießen nicht scharf, sondern mit Luftgewehren oder -pistolen. Als Munition dienen sogenannte weiche Diabolos. „Wenn man die Scheibe verfehlt und auf das Blech daneben trifft, prallen sie nicht ab, sondern verformen sich und rutschen nach unten“, erklärt Klaus Müller. Er pustet einen verformten Diabolo von seiner Hand: „Damit kann man keinen Menschen töten“, sagt der 66-Jährige und schließt einen der hellgrünen Blechschränke, in der die Gewehre aufbewahrt werden.

„Die sollten statt der Waffen lieber das Internet verbieten“, sagt Horst Grafenberger, der amtierende Schützenkönig: „Das mit dem Amoklaufen ist aus Amerika zu uns rübergeschwappt.“ Freilich sei es schlimm, dass der Vater von Tim K. seine Waffe ungesichert mit der Munition in der Wohnung hatte, meint Grafenberger: „Das darf nicht passieren. Aber Waffen gesammelt in Vereinshäusern stehen zu lassen, ist auch ein Risiko. Die müssten dann auch besonders bewacht werden .“

Fast alle Schützen der 103-jährigen Gilde haben früher ihre Kinder mitgebracht. Ab zwölf Jahren darf man schießen lernen. „Mein Sohn hat seine Konzentrationsschwäche dadurch überwunden“, erzählt ein Vater. „Er hat seinen Schulabschluss geschafft, was keiner für möglich hielt.“ Momentan aber sind keine jungen Leute mehr im Verein. Die eigenen Kinder sind groß und weggezogen, und alles Werben um junge Menschen hat nichts gebracht. „Früher gab es immer mal wieder Eintritte, wenn Deutschland bei Biathlon-Wettkämpfen oder Olympischen Spielen erfolgreich war“, sagt Klaus Müller. „Aber jetzt nicht mehr.“

„Weil die lieber im Internet rumballern“, sagt Horst Grafenberger: „Und weil wir immer mehr kriminalisiert werden.“ Seit dem Amoklauf von Erfurt veranstaltet die Schöneberger Schützengilde jedes Jahr einen Wettkampf für alle Berliner Sportschützenvereine. Motto: „Sportschießen ist keine Gewalt“. Die Einnahmen werden für einen wohltätigen Zweck gespendet. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass Sportschießen nichts mit Totschießen zu tun hat“, sagt Klaus Müller. Dass sich das Image der Schützen inzwischen gebessert hat, glaubt er nicht. Schon gar nicht nach Winnenden.

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