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Von der Leine gelassen. Die Frühlingssaison der Berliner Schifffahrt beginnt mitten im Winter. Dafür ist an Bord alles wie immer: Es gibt Bier und Bockwurst.

© Kitty Kleist-Heinrich

Spreedampfer eröffnen Saison: Einfach den Schnee umschippern

Trotz der lang anhaltenden Kälte herrscht zwischen Bundeskanzleramt und Oberbaumbrücke ein lebhafter Schiffsverkehr. Die Wassercabrios schließen einfach das Dach – und der Marktführer Stern und Kreis sticht selbstbewusst ins Eis.

Die Zweifel am Termin des Saisonbeginns lässt Jürgen Loch mit routinierter Beredsamkeit verschwinden. „Wann hatten wir das schon mal“, sagt er, „dass wir mit dem Schiff an schneebedeckten Landschaften vorbeifahren?“ Hatten wir noch nicht in Berlin, und wenn der Chef der Stern- und Kreisschifffahrt seine Flotte mitten im Winter in See stechen lässt, dann weiß er sich auf jeden Fall im Einklang mit dem Berliner Selbstbewusstsein, „das kriegen Sie sonst nicht zu sehen“.

Ostern geht es also los, das ist immer so, jedenfalls in der Fläche. Drinnen in der Innenstadt wird ja ohnehin ständig geschippert, sofern die Spree offen ist, das zeigt sich selbst an diesem klirrend kalten Montag: Zwischen Bundeskanzleramt und Oberbaumbrücke herrscht lebhafter Verkehr, die Wassercabrios transportieren Touristen hin und zurück, nur bleibt eben das Dach noch verschlossen, und auf den Decks liegen Schnee- und Eishaufen herum.

Bei der Stern und Kreis sieht man sich für die Saison gut gerüstet. Die traditionsreiche Reederei, seit 1999 Teil der Dienstleistungsgruppe Hegemann, schwimmt im Gefühl des ewigen Marktführers voran, „wir sind drei Mal größer als der nächstgrößte Konkurrent“, wie Loch sagt. 1,2 Millionen Fahrgäste waren es im vergangenen Jahr, nur der Zoo hat mehr Besucher, der Fernsehturm ist etwa gleichauf – eine Säule des Berliner Tourismusgewerbes ohne jeden Zweifel. Der weiteren Expansion sind freilich Grenzen gesetzt, denn alle interessanten Strecken werden bereits befahren. Und das kritisierte (und vom Marktführer vorangetriebene?) Verbot der Salonschiffe ist erst mal wieder vom Gesetzestisch. Mehr geht eigentlich nur, sagt Loch, „wenn das Land ein paar neue Kanäle baut“.

300 Mitarbeiter hat das Unternehmen gegenwärtig, die sich auf Verwaltung und 32 Schiffe verteilen. „Havel Queen“ und „Moby Dick“ erfreuen sich zwar bester Gesundheit, aber der Trend geht doch eher zu eleganten No-Nonsense-Schiffen wie der 2012 in Dienst gestellten „Alexander von Humboldt“, die 400 Plätze hat und sich mit einer Bar auf dem zu öffnenden Oberdeck neuen Kundenkreisen zuwendet. Oder zu den aktuellen Wassercabrios wie der „Nofretete“ für 160 Gäste, die im Freien feiern dürfen, aber wegen des verschiebbaren Glasdachs garantiert nicht im Regen stehen gelassen werden. Oder im Schneegestöber.

Dennoch werden viele Gäste auch sehr Vertrautes finden, vor allem im Bereich der absichtsvoll biederen Gastronomie, die an Bier, Bockwurst und Kartoffelsalat nicht spart und auch dem „Mischgemüse“ seligen Andenkens eine kleine Nische in der Speisekarte frei hält; bei den raren Ostalgie-Party-Fahrten sind sogar Soljanka und Steak au four zu haben, was auf jeden Fall die Erinnerung an die ruhmlos geschluckte Weiße Flotte wachhält. Besseresser können aber auf längeren Fahrten immerhin kulinarisch Gehobenes hinzubuchen.

Älter als die Weiße Flotte ist die Stern- und Kreisschifffahrt auf jeden Fall. Präzise am 8. August 1888 wurde sie vom Stettiner Kaufmann Gustav Krokisius als „Spree-Havel-Dampfschiffahrts-Gesellschaft Stern“ gegründet. Das sind nun zufällig genau exakt 125 Jahre, und deshalb wird das Jubiläum vom 8. bis 11.August am Unternehmenssitz in Treptow auch mit allem Drum und Dran gefeiert – „Treptow in Flammen“ eingeschlossen.

Gute Nachricht: Die Preise sollen im Jubiläumsjahr nicht erhöht werden, was sicher nicht ganz einfach ist angesichts der Tatsache, dass ein normales Fahrgastschiff mit Diesel läuft. Rein organisatorisch ist die Firma heil in der Moderne angekommen. Es gibt eine Facebook-Seite, die bei der Fan-Zahl noch Platz nach oben lässt, und auch die Online-Buchung der Tickets ist möglich, sogar per Smartphone. Von W-Lan an Bord steht nichts im neuen Prospekt – aber die Gäste sollen sich schließlich Berlin ansehen.

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