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Das Radialsystem, mittlerweile ein bedeutender Kultur-Ort, von der Spreeseite aus.

© promo

Spreekultur: Mit dem Schiff von Club zu Club

Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner lud zum Workshop, um über die Zukunft der Party- und Kulturszene zu sprechen.

Von Fatina Keilani

Tim Renner ist zwar nicht mehr Staatssekretär, aber ein umtriebiger Mann für die Kultur- und Clubszene der Stadt ist er immer noch. Jede Menge Kulturschaffende, Politiker und Aktivisten hatte Renner zusammengetrommelt für einen Workshop unter dem Motte: „Stadt essen Kultur auf“. Darunter auch Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, dem Bezirk, in dem die meisten betroffenen Grundstücke liegen, dazu Staatssekretäre von Kultur, Wirtschaft und Bauen, Abgeordnete, Vertreter der Clubs.

Die Ergebnisse versuchte Lutz Leichsenring von der Clubcommission, der Interessenvertretung der Clubs, am Sonnabend im Radialsystem zusammenzufassen. Konsens sei, dass Handlungsbedarf bestünde, sagte er. Er plädierte für eine Art Intendanz, ein Gremium, das gut ausgestattet sei, mit Ressourcen und Sonderkompetenzen, das „an Schnittstellen operiert“, und wo Personen aus Architektur und Stadtplanung, Kunst und Kultur, Sozialem und Sicherheit zusammenarbeiteten. Es sollte „an höchster Stelle aufgehängt sein“, sagte Leichsenring – also beim Regierenden Bürgermeister.

Immobilienentwickler Andreas Krüger plädierte für eine Art „Berliner Bauausstellung Kultur“, einen kulturellen Raum zwischen Alter Münze und Rummelsburger Bucht, der neu gedacht werden solle – man habe durchaus das Interesse seitens Kultur und Verwaltung gespürt, sich diesen Spreeraum nochmal für die Kulturplanung vorzunehmen.

Clubs wollen Kultur sein statt Amüsierbetriebe

Bei der Formulierung „Kultur- und Clubszene“ geht es allerdings schon los. Clubs gelten bisher nämlich nicht als Kultur-, sondern als Vergnügungsstätten. Wer dabei jetzt an Vergnügungssteuer denkt, liegt ganz falsch – es macht vor allem für das Baurecht einen Unterschied, ob es sich um einen Kultur- oder um einen Amüsierbetrieb handelt. Die Vertreter der Clubszene möchten, dass ihre Betriebe als Kulturstätten anerkannt werden.

Speziell das Spreeufer beherbergt auch jetzt schon eine reichhaltige Kulturszene – es macht nur drei Prozent des Stadtgebiets aus, dort fänden aber 30 Prozent der zeitgenössischen Kulturangebote statt, sagte Renner. Berlin habe noch viele freie Flächen, und die gelte es zu nutzen.

Zur Denktruppe gehörte auch der Autor Holm Friebe („Wir nennen es Arbeit“), der ein Schiff forderte, das auf der Spree die vielen Orte der Club- und Kulturszene miteinander verbinde. Vorbild sei das Vaporetto in Venedig. Man könne so „das Feng Shui der Stadt verbessern, so dass die kreativen Energien besser fließen können“, sagte Friebe. Die Stadt entwickele sich stromaufwärts, also gegen den Strom, Richtung Schöneweide und Köpenick, die Raumpioniere hätten das längst entdeckt, die Clubszene auch, dort gebe es noch Flächen und Potentiale.

Das Vehikel dafür sollte ein Fähren- Shuttle sein, „das könnte die Spreekönigin sein, jetzt wo es den Berlkönig nicht mehr gibt“, sagte Friebe, eingebunden ins BVG-System, Tarif AB bis mindestens Nalepastraße. So könnte alles verbunden werden, die Rummelsburg, die Clubs, die Gastronomiecluster mit der Hafenkantine, die Reinbeckhallen, das Rathenau-Gelände: „Wir glauben, das ist eine Investition, die sich lohnt.“

Ideen für den nächsten Koalitionsvertrag

Sie sind pragmatisch rangegangen: Die Entscheider aus der Politik haben sich ebenfalls zwei Tage damit beschäftigt. Es sei zwar keine einfache Geschichte, da auch die Bundeswasserstraßenverwaltung eingebunden werden müsse, aber machbar sei es, soll ihr Fazit gewesen sein. An dem Workshop nahmen auch Vertreter der Behörden teil, vielleicht ist das eine neue pragmatische Herangehensweise. Die Behördenvertreter wiederum rieten den Kulturschaffenden, kein Baukastensystem zu präsentieren, sondern was Ganzheitliches zu entwickeln, das zum Beispiel sogar Inhalt des nächsten Koalitionsvertrages werden könnte.

Die Architektin und Stadtplanerin Ute Schneider berichtete, sie höre in Berlin immer so viel vom Platzmangel, aber mit den Augen einer Planerin, die auch in anderen Ländern arbeite, sehe sie in Berlin eine große Menge Platz. „Es gibt viele Uferzonen, die gar nicht genutzt werden, die Frage ist, wie wir sie multifunktionell nutzen, wie wir Uferzonen begehbar machen, und so zugleich die Besucherströme lenken“, sagte Schneider.

Berlin sei ganz generell ein Ort, der sich zum Labor eigne, bilanzierte Initiator Tim Renner. Viele Entwicklungen zeichneten sich hier zuerst ab. Ein Beispiel sei die durch die Digitalisierung entstandene riesige Zahl von Solo-Selbständigen. Berlin sei daher in guter Ort, um Lösungen zu finden.

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