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Berlin: Sprung in der Schüssel

1763 hat der König die Porzellan-Manufaktur vor dem Ruin bewahrt. Pro & Contra: Soll der Senat die KPM retten?

Aufregende Zeiten für die Königliche Porzellan-Manufaktur. Sie schwebt zwischen Verkauf und möglicher Pleite. Bis zu drei Millionen Euro wollte der Senat zuschießen, um die KPM vor drohender Insolvenz zu bewahren, doch die öffentliche Finanzspritze wird wegen der Tempodrom-Affäre fraglich. Die Koalitionsfraktionen neigen zu schnellem Verkauf – oder notfalls zum Konkurs.

KPM-Geschäftsführer Elmar Schmitz versichert, dass während der andauernden Verhandlungsphase mit den Kaufinteressenten die „Liquidität aus eigener Kraft gesichert“ ist. Thorsten Griess-Nega vom eingeschalteten Sanierungsunternehmen Steinbacher Treuhand, das den Verkauf begleiten soll, ist allerdings „hochbesorgt“. Beschlüsse vom Senat gibt es noch nicht. Griess-Nega betont, dass die KPM seit zwei Monaten schwarze Zahlen schreibt. Sie müsse zum guten Preis – nicht etwa für einen Euro – veräußert werden. Nur mit zusätzlichem Geld, von wem auch immer, sei der „sinnvolle Verkauf zur Jahresmitte möglich“. Die KPM gehört seit dem Jahr 2000 der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB).

Griess-Nega sieht jedenfalls „keinen Anlass, das Ding in die Grütze zu schicken“. Bei einer Insolvenz aber seien nicht nur die rund 170 Arbeitsplätze (421 waren es noch vor zehn Jahren) betroffen, auf das Land kämen außerdem hohe Pensionsansprüche zu. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft GSG als Vermieterin der eigens auf die KPM zugeschnittenen Räume an der Wegelystraße müsste dann auch mit Verlusten von rund fünf Millionen Euro rechnen.

Noch sind 25 Kauf-Interessenten im Rennen, darunter der Mehrheitsgesellschafter der Höchster Porzellan-Manufaktur aus Frankfurt am Main. Der mögliche Kaufpreis hängt davon ab, wieweit Verluste übernommen werden. Das KPM-Minus hat nach Angaben der Steinbacher Treuhand 2003 „deutlich unter fünf Millionen Euro“ gelegen.

Von Anfang an begleiteten Krisen und Pleiten die Berliner Manufakturgeschichte: Wilhelm Caspar Wegely machte 1757 nach sechs Jahren bankrott, anschließend verspekulierte sich Johann Ernst Gotzkowsky – nach zwei Jahren war der Betrieb pleite. Hätte nicht der Alte Fritz die stillgelegte Manufaktur 1763 für 225 000 Reichstaler erworben und selbst dort eingekauft – die Geschichte des Berliner Porzellans wäre schnell zu Ende gewesen. Dem Geschäft wurde freilich damals kräftig nachgeholfen: Der Gelehrte Moses Mendelssohn beispielsweise schrieb in seinen Erinnerungen, wie er als Jude verpflichtet wurde, Porzellan zu kaufen. Nicht mal auswählen durfte er. So kam es, dass er in seinem Salon 20 Porzellan-Affen aufstellen musste, verziert mit blauen Streifen. Das blass-müde „Bleu mourant“ war Friedrichs Lieblingsfarbe. Den Berlinern war fortan „blümerant“ zumute, wenn sie ein ungutes Gefühl im Bauch verspürten.

Es ist ein Gefühl, das die immer weniger gewordenen Beschäftigten der KPM seit Jahren kennen. Viele fürchten, dass ihr Traditionshaus verramscht und schlimmstenfalls zum Zulieferer von Industrieporzellan absteigen könnte. Seit Jahrzehnten wird über das (häufig wechselnde) Management der Manufaktur geklagt. Die Produktion in Tiergarten wurde zwar inzwischen auf den neuesten Stand gebracht, Schwachpunkte aber sind Vertrieb und Export. Der Senat habe schon früher kein Unternehmenskonzept gehabt, sagt der Abgeordnete Jochen Esser von den Grünen. Die Manufaktur müsse sich als Hochpreis-Edelmarke positionieren, nicht mittels Rabatten „den billigen Jakob machen“. Sie müsse bekannter werden, ihr Haus mehr der Öffentlichkeit zugänglich machen, den Zusammenhang mit dem Tourismus erkennen, etwa Vitrinen mit Ausstellungsstücken in Luxushotels aufstellen.

Zum Hoffest auf dem sanierten Manufakturgelände am S-Bahnhof Tiergarten kamen im September Tausende, und die KPM badete in einer Sympathiewelle. Das Hoffest, gekoppelt mit einem Tag der offenen Tür, ist auch in diesem Spätsommer geplant. Vielleicht dann schon unter neuer Regie.

Christian van Lessen

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