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Berlin: Staatsanwälte rügen Senatorin

Berufsvereinigung wirft Gisela von der Aue ein unangemessenes Verhalten gegenüber dem Chef der Intensivtäterabteilung vor

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) gerät unter Druck: Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat die Vereinigung Berliner Staatsanwälte (VBS) in einem offenen Brief den Umgang von ihr mit Oberstaatsanwalt Roman Reusch gerügt. „Forsch am Ziel vorbei“ sei ihre Reaktion auf Äußerungen von Reusch, dem Leiter der Spezialabteilung für jugendliche Intensivtäter, gewesen. Durch von der Aue sei der Eindruck erweckt worden, dass „in Berlin rechtswidrige Haftbefehle erlassen werden“, sagte Oberstaatsanwältin und VBS-Vorsitzende Vera Junker, die selbst der SPD angehört. Außerdem sei es „guter Brauch“, vor Äußerungen in der Öffentlichkeit über eine „Einzelpersonalie“ mit der betreffenden Person zu sprechen. Die Sprecherin der Justizsenatorin, Barbara Helten, sagte gestern, das Schreiben der VBS liege von der Aue noch nicht vor.

Reusch hatte in einem Spiegel-Interview erklärt, die Untersuchungshaft sei auch ein „Erziehungsmittel“, um junge Serientäter zu disziplinieren. Reusch ist Chef der im Sommer 2003 gegründeten Intensivtäterabteilung. Deutliche Worte hat er noch nie gescheut: Anfang 2004 bekam Reusch Ärger, weil er seine Klientel als „kleine Klapperschlangen“ bezeichnet hatte. Die zehn Staatsanwälte der Abteilung haben derzeit 476 Seriengewalttäter in ihrer Kartei, der älteste von ihnen ist 1972 geboren, die jüngsten sind erst 13 Jahre alt. 80 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Bundesweit gilt Berlin als Vorreiter im Umgang mit jungen Gewalttätern. Mehrfach gab es großes Lob aus der Polizeiführung. Über die Kritik der Senatorin zeigt sich die Abteilung 47 auch verwundert: „Bislang wurden wir gehätschelt und gelobt, und jetzt diese Klatsche.“

Vera Junker hat zuletzt als Anklägerin im Bankenprozess die Verurteilung von Klaus Landowsky erreicht – und nach dem Prozess ein dickes Lob vom Regierenden Bürgermeister für ihre Hartnäckigkeit bekommen. Das SPD-Mitglied arbeitet seit 1992 in der Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft.

Es ist nicht das erste Mal, dass von der Aue von eigenen Parteifreunden wegen ihres rigorosen Führungsstils kritisiert wird: Die Entlassung von Justizstaatssekretär Christoph Flügge Anfang Februar im Zuge der Medikamentenaffäre in der Haftanstalt Moabit kreideten ihr SPD-Parteifreunde als vorschnell an. Die eingesetzte Untersuchungskommission hat ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen. Auch in ihrem Fachgebiet muss sich von der Aue bewähren: Die Reformen im Justizbereich sind noch nicht abgeschlossen, die Personalsituation in der Justiz ist katastrophal, und die Bedingungen in den überfüllten Haftanstalten wurden mehrfach als verfassungswidrig geahndet.

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