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Berlin: Staatsanwalt: Tempodrom-Schwimmbad war überflüssig

Ermittler sehen Liquidrom als Beispiel für fehlende öffentliche Kontrolle bei Finanzierung des Kulturbaus. Opposition wirft SPD Verzögerung vor

Die Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus haben der Berliner SPD vorgeworfen, die Aufklärung der Tempodrom-Affäre zu verzögern. Die Sozialdemokraten hatten, wie berichtet, vergangene Woche eine selbst gesetzte Drei-Wochen-Frist ergebnislos verstreichen lassen, in der sie einen Bericht zur Wahlkampffinanzierung 2001 vorlegen wollten. „Es scheint, als enthalte die SPD der Öffentlichkeit etwas vor“, sagte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer dem Tagesspiegel. Der grüne Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger kritisierte die „Verzögerungstaktik“. Und FDP-Fraktionschef Martin Lindner verlangte von der SPD, „im Interesse des Rechtsstaates so schnell wie möglich den Bericht vorzulegen“. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Uwe Goetze, forderte Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) auf, nicht mehr an SPD-Landesvorstandssitzungen teilnehmen, bis die Prüfungsergebnis der Wahlkampffinanzierung veröffentlicht seien.

SPD-Sprecher Hannes Hönemann erklärte die Verzögerung damit, dass der Bericht derzeit noch von einem Wirtschaftsprüfungsbüro kontrolliert werde. Wie lange das dauere, sei nicht abzusehen. „Sobald die Prüfung beendet ist, werden wir den Bundestag und die Öffentlichkeit über das Ergebnis informieren“, sagte Hönemann. Im Interesse der SPD erhoffe man sich eine schnelle Prüfung.

Nach wie vor offen ist die Frage, ob weitere nicht ordnungsgemäß verbuchte Zuwendungen gefunden wurden. Die Untersuchung der Wahlkampffinanzierung der Berliner SPD war ausgelöst worden durch einen Tagesspiegel-Bericht über ein Sponsoring des früheren Bauunternehmers und Tempodrom-Förderers Roland Specker für den VIP-Bereich der SPD-Wahlparty im Oktober 2001. Dieses Sponsoring war nicht ordnungsgemäß verbucht worden, wie die SPD nach dem Bericht bekannt gab. In die Kritik war das Sponsoring geraten, weil es kurz nach der Senatsentscheidung erfolgte, dem Tempodrom öffentliche Gelder in Höhe von knapp sieben Millionen Euro zuzuschießen. Ob es eine Verbindung zwischen dem Sponsoring und der Millionenspritze gibt, ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft. Die SPD, Strieder und Specker bestreiten einen Zusammenhang.

Derweil hat die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe gegen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und Specker konkretisiert. In einer Einleitungsverfügung, die dem Tagesspiegel vorliegt, listen die Ermittler auf 17 Seiten jene Umstände auf, auf deren Grundlage wegen des Verdachts der korruptiven Verflechtung ermittelt wird. Es wird unter anderem dargelegt, welche wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Specker und dem Tempodrom-Neubau bestanden. So wurde kurz vor Baubeginn im Januar 2000 die Projektsteuerung des Neubaus auf Speckers Empfehlung hin der Firma Specker Plantec GmbH übertragen, einer hundertprozentigen Tochter der Specker Bauten AG, an der wiederum Roland Specker damals als einer von drei Aktionären beteiligt war und in deren Aufsichtsrat er saß. Das Gesamtvolumen des Auftrages gibt der Staatsanwalt mit rund 470 000 Euro an. Zahlungsbelegen zufolge wurden davon rund 326 000 Euro an die Specker Bauten AG überwiesen.

Neben diesen wirtschaftlichen Beziehungen hatte Specker laut Staatsanwaltschaft auch einen nennenswerten Einfluss auf Planung und Verwirklichung des Neubaus. So nahm er im Laufe des Jahres 2001 an Sitzungen teil, in denen die Finanzplanung des Tempodroms mit der Investitionsbank Berlin und mit Senator Strieder besprochen wurde. Vor dem Hintergrund, dass Strieder als maßgebliche Kraft für die Rettung des Tempodroms zu sehen sei, kommt die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss, dass der Verdacht einer inhaltlichen Verknüpfung zwischen Speckers Sponsoring und dem Engagement Strieders für die Rettung des Tempodroms nicht ausgeschlossen werden kann.

Daneben listet die Staatsanwaltschaft auch weitere Hinweise auf den Verdacht der Untreue auf, die so bisher noch nicht öffentlich bekannt waren. Scharfe Kritik zieht das Schwimmbad „Liquidrom“ auf sich, das neben der Veranstaltungsarena eingebaut wurde. Die Staatsanwaltschaft bewertet das Liquidrom als herausragenden Beleg dafür, dass das Tempodrom unter dem Deckmantel einer privaten Stiftung gebaut wurde, in Wirklichkeit aber ein öffentliches Großbauvorhaben war. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war das Liquidrom, dessen Kosten mit rund sieben Millionen Euro beziffert werden, für den geplanten Veranstaltungsort schlicht überflüssig. Dennoch wurde das Bad mit Hilfe öffentlicher Gelder gebaut – allerdings ohne öffentliche Diskussion oder parlamentarische Beschlussfassung.

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