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Berlin: Stadion-Kapelle soll zur Fußball-WM fertig sein

Die Finanzierung für den Gebetsraum ist gesichert Großteil der 250 000 Euro Baukosten zahlt die Stiftung der Klassenlotterie

Wortgewalt und eine bilderreiche Sprache gehören zu seinem Beruf. Aber wenn Pfarrer Bernhard Felmberg über sein schwierigstes Projekt spricht, der Kapelle im Olympiastadion, dann ist zu spüren, dass seine Liebe auch den irdischen Dingen gehört. „Von Pontius zu Pilatus“ sei er dafür gelaufen, und zwischendurch sei er sich vorgekommen wie „ein Triathlet, nur dass mir vorher niemand gesagt hat, dass nach dem Schwimmen noch das Radfahren und das Laufen kommt“. Jetzt ist Felmberg fast am Ziel – die Finanzierung der Kapelle ist gesichert.

Nach Angaben von Stadionmanager Peter von Löbbecke sollen die Bauarbeiten nun „Ende des Monats“ beginnen, „zum letzten Saisonspiel von Hertha BSC wollen wir sie dann einweihen“. Das wäre am 6. Mai gegen den Hamburger SV. Pfarrer Felmberg kann sich die Eröffnung auch schon am Tag des DFB-Pokalfinales vorstellen, also am 29. April. Der Endspurt ist notwendig, weil ab Mitte Mai der Fußball-Weltverband Fifa wegen der Weltmeisterschaft die Stadionaufsicht übernimmt und Bautätigkeiten dann verbietet.

Die Stiftung der Deutschen Klassenlotterie Berlin hat zugesagt, sich mit 190 000 Euro an den Baukosten von insgesamt 253 000 Euro zu beteiligen. Den Rest spenden einzelne Kirchenkreise, Unternehmen, Privatpersonen („von der Oma bis zum Konfirmanden“) und nicht zuletzt Hertha-Fans. Jeder, der mindestens 25 Euro beigetragen hat, wird auf einem Schild vor der Kapelle gewürdigt.

Seit der Tagesspiegel im Januar 2003 von den Plänen für einen Gebetsraum im Stadion berichtete, hat Felmberg, der Sportbeauftragte der evangelischen Landeskirche, an mehr Türen geklopft als ein Vertreter – oft ohne finanziellen Erfolg. Die Stadt begrüßte das Vorhaben, verwies jedoch auf leere Kassen; Hertha hatte nichts dagegen, hielt sich finanziell aber ebenso zurück. Und die Firma Walter-Bau, die mit dem Stadionumbau beschäftigt war, hatte Felmberg im Herbst 2004 zugesagt, die Finanzierung zu übernehmen, meldete vor einem Jahr aber Insolvenz an. Auf der Suche nach neuen Sponsoren sei Bischof Wolfgang Huber „sehr aktiv“ und sein Einfluss hilfreich gewesen. Die Fußball-WM und weitere Großereignisse boten den Sponsoren zusätzliche Argumente.

Die Vorbilder der Kapelle stehen in Barcelona und Gelsenkirchen. Wie dort soll der Berliner Gottesraum ein Raum der Stille sein, ausdrücklich aber auch ein Ort der Reflexion über die Geschichte des Stadions. Die Hebrew University aus Jerusalem will die Kapelle zum Ausgangspunkt eines Films über die von den Nazis missbrauchte Sportstätte machen. Mitten im Stadion und zugleich ganz ruhig wird die Kapelle platziert. In der „Schuhschachtel“, wie der schmucklosen Raum zwischen den Spielerkabinen und der VIP-Lounge intern genannt wird, hat das Berliner Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) dafür einen 80 Quadratmeter großen Raum im Raum konzipiert: Im Oval werden 50 Besucher auf Hockern Platz finden, die Wände sind mit Blattgold belegt. Darüber zieht sich ein Schriftband, auf dem in unterschiedlichen Sprachen religiöse Texte gedruckt sind. „Sie haben mit Sieg und Niederlage zu tun“, sagt Felmberg. Das Kreuz erscheint als Aussparung der Schrift – und der Altar wird „filigraner“ als auf den ersten Entwürfen, sagt Uta Graff, Projektleiterin bei gmp.

„Wir wollen keine Fußballgötter feiern“, sagt Bernhard Felmberg, Besucher „in Hertha-Kluft“ würden keinen Einlass erhalten. Die Fans sollen dennoch präsent sein. So kann Felmberg sich vorstellen, „dass eine Trauung vor einem Hertha-Spiel auf der Großleinwand gezeigt wird“. Allerdings nicht live: An Veranstaltungstagen ist die Kapelle nur Sportlern und Organisatoren zugänglich. Ob eine Raummiete anfällt, steht noch nicht fest. Geht es nach der Stadionverwaltung, sollen Hochzeitspartys in den Stadionlogen stattfinden – und dafür gezahlt werden.

Wie erfolgreich die Kapelle im Stadion sein kann, beweist das Beispiel der Arena auf Schalke. Vor viereinhalb Jahren eingeweiht, erwartet man dort die 500. Taufe und die 100. Trauung. Die Kapelle dort, sagt Pfarrer Hans-Joachim Dohm, folge einem „volksmissionarischen Ansatz“, der sich nicht auf Fans beschränke. Im Gegenteil: Die große Mehrheit der Nutzer hätten keinen Bezug zu Schalke 04 – genauso wenig wie zur Religion.

Die Berliner Kapelle wird ehrenamtlich von evangelischen und katholischen Geistlichen betreut. Der ökumenische Ort lädt also auch die gläubigen Profis der Hertha ein. Spielmacher Marcelinho hat sich seine Liebe sogar mit einem Jesusantlitz auf dem rechtem Oberarm eintätowieren lassen. Viel Glück hat ihm das in dieser Bundesligasaison bisher nicht gebracht.

Jens Poggenpohl

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