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Stadt als Werbefläche: Bezirke ärgern sich über Guerilla-Marketing

Viele Unternehmen hinterlassen ihre Botschaften auf Gehwegplatten – dabei dürfen das doch eigentlich nur Kinder.

Jeden Tag wird die Werbung von hunderten Füßen getreten. Ab und zu aber bleibt jemand in der Unterführung am Alexanderplatz stehen, zückt sein Smartphone und fotografiert den QR-Code auf den Platten. Seine Neugier führt ihn auf eine Internetseite der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei. „Wir wollen die Leute an einem Ort überraschen, wo sie nicht damit rechnen“, erzählt ein Brauerei-Sprecher. So kämen viele Menschen schnell auf die Internetseite des Unternehmens aus Alt-Hohenschönhausen.

Eine schöne Überraschung ist das in der Tat, zum Ärger der Bezirksämter. Denn immer mehr Unternehmen entdecken Fußwege, Straßen und Plätze als Werbefläche. Am Checkpoint Charlie hat eine Parfümerie auf den Gehweg Pfeile zu ihrem Shop gemalt, ein Laden im Alexa pflasterte zur Neueröffnung die ganze Umgebung mit Aufklebern zu und selbst die Jugendorganisation der Umweltstiftung WWF rückt derzeit mit Schablonen aus, um überall Abdrucke von Wolfspfoten aufzusprühen. „Die Nachfrage hat stark zugenommen“, sagt Steffen Ahlers, der vor einem Jahr die Marketingfirma Berlinguerillas gründete, die ihren Sitz im Grünen hat: in Ahrensfelde, gleich hinter der Stadtgrenze. Ahlers, 30, sagt: „Die Unternehmen wollen auffallen. Die Zielgruppe soll sich mit der Werbung aktiv beschäftigen.“

Die Unternehmen kupfern von der Urban Art-Szene ab:

Mit klassischen Werbespots und Bannern im Internet würden viele Menschen gar nicht mehr erreicht, erklärt Thomas Patalas, der mehrere Bücher über Guerilla-Marketing geschrieben hat. Und wenn nun überall Sticker wild kleben und Graffiti auf dem Boden zu sehen sind, sei auch dabei schnell eine Sättigung erreicht. „Das kann man gar nicht mehr alles wahrnehmen.“ Viele Menschen seien davon genervt. „Es gibt nur noch wenige werbefreie Refugien: Wälder, Friedhöfe, Schulhöfe, Kirchen – mal sehen, wie lange noch“, beklagt Patalas.

Eigentlich ist es ja Sachbeschädigung - aber die Werber haben ihre Tricks.

Offiziell angemeldet sind Aktionen wie die QR-Code-Werbung nicht. Dafür würde es keine Genehmigung geben, sagt Harald Büttner, Leiter des Tiefbau- und Landschaftsplanungsamtes von Mitte. Sprühen und Malen auf nicht genehmigten Flächen stelle fast immer eine Sachbeschädigung dar; wenn die Reinigungstrupps anrücken müssen, werden bis zu 500 Euro fällig. Die Ordnungsämter sind allerdings überlastet. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand bei einer Guerilla-Aktion erwischt werde, sei äußerst gering. Das sagt auch Werber Ahlers: „Die Ordnungsämter tun in der Regel nichts.“

Kinder und Künstler haben Narrenfreiheit. Sie dürfen mit Straßenmalkreide Plätze und Gehwege gestalten, nach Lust und Laune malen. Firmen dürfen laut Büttner nicht einmal zur Kreide-Sprühdose greifen. „Werbung im öffentlichen Straßenland ist verboten.“ Auch wenn sie beim nächsten Regen verschwindet.

Werber wie Ahlers versuchen, mit einem Trick davonzukommen: Sie bemalen nicht, sondern reinigen. Beim Reverse Graffiti wird eine Metall- Schablone auf verschmutzte Mauern oder Gehwege gelegt und mit einem Hochdruckreiniger nur das Logo gereinigt. Bis zu sechs Monate hebt sich der sauber geputzte Teil vom restlichen Untergrund ab.

Attraktiv ist Guerilla Marketing für Unternehmensgründer, die nur ein kleines Werbebudget haben. Auf sich aufmerksam gemacht hat so gerade das Berliner Start-up Amen. Die Kreativitätsarbeit wurde nicht von einer teuren Agentur, sondern von den Nutzern der Meinungsplattform selbst und acht Studenten der Universität der Künste geleistet.

„TXL ist das beste Comeback des Jahres“, steht nun auf einem Plakat am Flughafen Tegel. Und am Mehringdamm: „Mustafa’s ist der beste Platz in Berlin, um Schlange zu stehen.“ Damit ist der populäre Imbiss „Mustafa’s Gemüse Kebab“ am U-Bahnhof gemeint, vor dem oft sehr viele Menschen stehen. Amen-Chef Felix Petersen weiß, warum die Sprüche so gut ankommen. „Sie spielen mit dem Ort - und funktionieren auch nur, wenn man dazu den Ort sieht.“ Eine Strafe hat er bisher nicht zahlen müssen, weder für die Plakate an Straßenschildern noch die in der U-Bahn. Im Gegenteil: „Mustafa hat es sich jetzt an seinen Wagen geklebt.“

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