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Stadt-Kolumne: Alles geht einmal zu Ende - auch West-Berlin

Die Motorradstaffel ist nicht das einzige, was zur West-Berliner Identität gehörte und abgeschafft wird. Doch das ist längst kein Grund, nach ausgleichender Gerechtigkeit auf östlicher Seite zu rufen.

Alles geht einmal zu Ende. Letzte Woche war es: West-Berlin. Wenn wir also die Titelseite der „BZ“ vom Freitag richtig verstanden haben, dann muss man sich die Lage so vorstellen, dass da ein Fass schlagartig übergelaufen ist, um West-Berlin, UNSER West-Berlin, endgültig zu ertränken. Und der Tropfen, der diese Flut erzeugt hat, war die Entscheidung der Polizei, ihre Motorradsportgruppe aufzulösen. Das letzte Bollwerk der freien Stadt gegen die roten Horden: Von der Polizeiführung vertickt für 150 000 Silberlinge?

Nun ließe sich mit einiger Berechtigung sagen: Jeder, der 50 Menschen auf einem Motorrad zu stapeln beliebt und damit auch noch losfährt, sollte dies der Öffentlichkeit mitteilen und mal gucken, ob ihr das was wert ist. Aber muss er dabei vom Staat unterstützt und mit schönen grünen Lederkombis ausgestattet werden?

So erging es auch anderen Aushängeschildern Berlins

Auch vom Polizeiorchester seligen Andenkens hieß es einmal, es dürfe als „Aushängeschild“ der Stadt keinesfalls schnödem Geldmangel geopfert werden. Es geschah dennoch, aber keine Klage drang je nach draußen, es fehle der Stadt nun an flottem Swing oder strammem Uffza. Und kein einziger Straftäter ist mit der Erwartung nach Berlin eingesickert, eine Stadt ohne Tuten und Blasen liege praktisch ungeschützt auch zum Morden und Brandschatzen da.

Vieles, was angeblich zur West-Berliner Substanz gehört, ist schon nicht mal mehr scheintot. Cafè Möhring? Die Schöneberger Sängerknaben? Der Flughafen Tempelhof, also: als Flughafen? Man gewinnt unter dem Getröte der Abschiedsfanfaren den Eindruck, es müsse alles, was im alten West-Berlin von irgendeiner Bedeutung war, unter Bestandsschutz gestellt werden wie die Kröte im Pfuhl, ganz unabhängig davon, ob noch jemand Lust hat, ihr beim Quaken zuzuhören.

Der Begriff "West-Berlin" ist politisch aufgeladen

Das Grundproblem ist vermutlich die politische Aufladung des Begriffs „West-Berlin“, die jede dort einst angesiedelte Antiquität zum Bollwerk des freien Westens stilisiert und jede Abschaffung einer solchen Antiquität zum späten Sieg des Kommunismus: die Käsetorte am Ku’- damm, das Krähen aufmüpfiger Knabensoprane. Ja, um den Wasserklops wäre es schade, aber der dürfte nach aktueller Nachrichtenlage dort auch die nächsten Jahrzehnte unangefochten überstehen.

Dennoch: Das Mindeste aus Sicht der Traditionalisten wäre vermutlich ausgleichende Gerechtigkeit auf östlicher Seite. Machen die Sängerknaben dicht, muss der Friedrichstadtpalast geschleift werden. Schließt Möhring, erhalten die Puhdys Auftrittsverbot. Und kappt den Fernsehturm, bis er mit dem Funkturm auf Augenhöhe liegt! 

Aber so dreht sich die Welt nicht mehr. Ja, es sieht so aus, als sei der Kommunismus überhaupt nicht mehr in der Lage, freie westliche Motorradpyramiden zu stürzen. Das schaffen sie im Zweifel ganz allein.

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