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Mit Fell am Fluss. An der Spree kann man derzeit einen bezaubernden Blick auf die Eisschollen-Landschaft genießen.

© dpa

Stadtleben: Wenn der Umsatz einfriert

Die derzeitige Kälte macht in Berlin vor allem jenen zu schaffen, die ihr Geld an der frischen Luft verdienen. Manche aber trotzen tapfer der Kälte oder freuen sich gar, dass sie es derzeit ruhiger angehen können.

Bärtram ist gut drauf. In seinem hellbraunen Bärenkostüm hüpft der junge Mann vor dem Brandenburger Tor hin und her und quatscht in deutsch-englisch-spanischem Kauderwelsch die wenigen Touristen an, die trotz der beißenden Kälte vorbeischlendern. Mit Erfolg. Immer wieder lassen sich Besucher mit dem Bären vor dem Berliner Wahrzeichen fotografieren und werfen ihm ein paar Münzen in den Honigtopf. „Zum Glück lassen sich nicht alle vom Wetter abschrecken“, sagt Bärtram, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Wie er sich warmhält? „Zwiebelprinzip – solange die Touristen das aushalten, halte ich’s auch aus.“ Dann hüpft er in der Wintersonne davon, die nächste Gruppe zu umgarnen.

Der fröhliche Bär ist einer der wenigen, die in diesen eisigen Tagen ihr Geld an der frischen Luft verdienen und nicht übers Geschäft klagen. Denn bei den meisten ist der Umsatz eingefroren. Ein paar Meter neben Bärtram steht mit heruntergezogenen Mundwinkeln ein junger Mann, der Karten für Stadtrundfahrten mit dem Bus verkauft, bei denen man ständig ein- und aussteigt. „Ganz fies“, sagt er, wenn man ihn fragt, wie das Geschäft läuft. „Die Leute haben keine Lust, bei dem Wetter auf den Bus zu warten, sondern bleiben lieber in ihren Hotels.“

Beim Wurstverkäufer gibt's Kälterabatt

Das bekommt auch Florian Zabel zu spüren. Dicht eingepackt steht der 23-jährige mit seinem mobilen Wurstgrill vorm Berliner Dom. „Wir haben bereits die Preise von 1,50 auf einen Euro gesenkt“, sagt er. Trotzdem hält kaum einer der wenigen vorbeihastenden Menschen an. „An normalen Tagen reißt der Strom an Kunden hier gar nicht ab“, sagt Zabel traurig. Obwohl vor ihm der Grill glüht, zittert er. „Da kann man sich noch so dick anziehen, nach ein paar Stunden kommt die Kälte durch.“ Das muss auch Frank Helmers erleben, der täglich am Checkpoint Charlie in die Uniform eines US-Soldaten schlüpft und sich für Geld am ehemaligen Grenzübergang fotografieren lässt. „Meine Hände sind tot“, flucht er. Eine Stunde steht er hier heute schon, eine will er noch aushalten, dann ist Feierabend. Auch weil an Tagen wie diesen einfach weniger los ist als sonst, sagt er.

Eiskaltes Händchen. Frank Helmers (rechts) bei der Arbeit am Checkpoint Charlie.
Eiskaltes Händchen. Frank Helmers (rechts) bei der Arbeit am Checkpoint Charlie.

© lvt

Eine Klage, die zumindest unter den professionellen Stadtführern nicht jeder teilt. Die momentane Kälte scheint für die Entdeckungslust der Touristen kein Hindernis zu sein. Die geringeren Nachfragen bei Stadtführungen seien eher saisonal bedingt und sind nicht von den Temperaturen abhängig, sagt Klaus Wieland Kläser von Berlin Stadtführungen. Im vergangenen Jahr habe er sogar eine Gruppe bei minus 20 Grad durch die Stadt geführt. Auch bei Berlin City Tour gibt es keine geringere Nachfrage als in den übrigen Winterwochen. Die meisten Besuchergruppen haben ihren Berlin-Trip schon seit langem gebucht und lassen sich auch von kurzfristigen Wettereinbrüchen nicht abschrecken, sagt Stefan Welke, der für das Unternehmen „Enjoy Berlin“ derzeit eine argentinische Reisegruppe durch die Stadt führt. „Allerdings haben die Gäste weniger Lust, ohne Pausen lange draußen herumzulaufen.“ Also muss man als Stadtführer öfter mal einen Aufwärmstopp im Café einlegen.

Der ADAC hat derzeit Hochsaison

Auf Kaffee haben auch die Eisdielen der Stadt umgeschaltet. Denn auf Speiseeis hat derzeit kaum jemand Lust, sagt Olaf Höhn, Inhaber der Florida-Eisdielen. Momentan wärmen sich die Kunden lieber bei einem heißen Getränk auf. Es gibt aber auch ein paar hart Gesottene, die sich, ausgestattet mit dicken Handschuhen, eine Kugel außer Haus gönnen.

Auf den Außenbaustellen ruht zurzeit weitestgehend der Betrieb. Bei Frost sind nicht nur die Bedingungen für die Arbeiter nicht mehr tragbar. Auch die Qualität der Arbeit könne nicht mehr garantiert werden, das Risiko eines Baupfuschs sei zu hoch, sagt Beate Bahr von der Fachgemeinschaft Bau. Auch bei den Fährlinien der BVG tut sich derzeit nichts. Die Schiffe dümpeln inmitten von Eisschollen an den Anlegern. Einige Mitarbeiter der Stern und Kreisschifffahrt warten stattdessen die anderen Schiffe, die meisten haben ihren Resturlaub genommen. Einsatzrekorde melden hingegen die Pannenhelfer des ADAC. Täglich helfen sie derzeit rund 2500 Autofahrern in Berlin und Brandenburg bei Kälteproblemen.

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