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Im Schatten der Diktatur: Eine Szene aus dem Film mit Maria (Lola Dockhorn) und Lea (Maria Ehrich).

© Promo

„Sie heißt jetzt Lotte!“: Fragile Freundschaft unterm Hakenkreuz

Der Kurzfilm „Sie heißt jetzt Lotte!“ wurde am Donnerstagabend bei seiner Deutschlandpremiere im Zoo-Palast gefeiert. Er ist jetzt Teil eines neuen transmedialen Bildungsprojekts und wird am 19. November im Fernsehen gezeigt. 

Ein roter Teppich, Scheinwerfer, Blitzlichtgewitter und das überdimensionierte Filmplakat zierten am Donnerstagabend die Front des Zoo-Palasts Berlin. Doch, dass es sich hierbei um keine gewöhnliche Filmpremiere handelte, verriet spätestens der Blick auf die Gästeliste. Neben Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), stand vor allem Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland im Mittelpunkt der Premiere des 17-minütigen 3D-Kurzfilms, die im Rahmen einer zweistündigen Gala im Zeichen von Zivilcourage und Holocaustgedenken stattfand.

Der Saal 1 des frisch renovierten Zoo-Palasts, in dem sonst um die gleiche Zeit eher 90-minütige Blockbuster laufen, diente am Donnerstagabend als Raum für einen Dialog über Bildungsarbeit und Antisemitismus. Ein Thema, das bis heute an Wichtigkeit und Aktualität nicht verloren hat. Journalist Cherno Jobatey führte als charismatischer Moderator durch den Abend, den Norbert Lammert (CDU) mit einer etwa 15-minütigen Rede eröffnete. Lammert betonte die Notwendigkeit des Kampfes gegen Antisemitismus und warb gleichzeitig für einen aufgeklärten Patriotismus. „Antisemitismus ist nirgendwo akzeptabel und ist unerträglich“, sagte Lammert und lobte den Kurzfilm als einen wichtigen Beitrag im Rahmen eines großen transmedialen Bildungsprojekts. „Der Film ist inseriert von den Kindheitserfahrungen Charlotte Knoblochs und macht an einem konkreten Beispiel deutlich, was leider kein Einzelfall war“, sagte er. „Es ist ein erstaunliches Beispiel, was Freundschaften aushalten und bewirken können.“ Am Ende seiner Rede wünschte er Regisseurin Annekathrin Wetzel, dass ihr Film einen nachwirkenden Beitrag zur Aufklärung leistet.

Im Anschluss betrat Charlotte Knobloch die große Bühne, die sie allein durch ihre Persönlichkeit zu füllen schaffte. Es ist ihr Leben, das den Kurzfilm und dessen Entstehung maßgeblich prägte. Knobloch bedankte sich zuerst für die Ehre, die ihr an diesem Abend zuteil wurde und lobte die uneigennützige Bereitschaft der Regisseurin, sich für eine Utopie einzusetzen. Sie sagte, dass der Mensch zu allem im Stande sei – im Guten wie im Schlechten und eben auch zu Unmenschlichkeit. Laut Knobloch sei einzig die Selbstreflexion ein Weg, das eigene Leben zu betrachten, aber auch Eltern, Lehrer und Freunde sollten als Vorbilder agieren. „Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mitzuhelfen, dass das Böse nie wieder über das Gute triumphiert“, sagte Sie. Sie halte „an einer Gut-Utopie fest“. Menschenrechte, Toleranz, Zivilcourage sollten aus ihrer Sicht selbstverständliche Fundamente unseres Miteinanders sein. „Sein zu dürfen, wer man ist, lieben zu dürfen, wen man liebt, fühlen zu dürfen, was man fühlt, seine Meinung zu publizieren und demonstrieren zu dürfen, wann, wo und wie Schmied seines eigenen Glückes zu sein im Rahmen der rechtsstaatlichen Konditionen – das ist Freiheit“, sagte sie. „Dafür haben wir gekämpft. 1919, 1949 und 1989. Dieses ‚Wir‘ ist immer noch da, wir müssen es nur wieder mit mehr Leben füllen.“

Während Knobloch unter ehrfürchtigem Beifall von der Bühne schritt, verkündete Moderator Jobatay den Gästen, dass es an der Zeit sei, die 3D-Brillen aufzusetzen, ohne die man den Film nicht vollständig wahrnehmen könne.

„Sie heißt jetzt Lotte!“ spielt zu Beginn des zweiten Weltkriegs und erzählt die Geschichte einer Freundschaft unter den Menschen verachtenden Bedingungen des NS-Regime. In Zukunft soll der Film im jüdischen Museum gezeigt werden und im Rahmen eines Bildungsprojekts, das neben einem interaktiven Lernspiel auch eine Online-Community umfasst, zeitgemäße Wege in der Bildungsarbeit ebnen. Außerdem ist der Film Teil der ARD-Themenwoche Toleranz und wird am 19. November um 23 Uhr im Bayerischen Rundfunk gezeigt.

Neben der Autorin und Regisseurin Annekathrin Wetzel und ihrem Produzenten Michael Geidel, wurde auch die 18-jährige Lola Dockhorn, eine der Hauptdarstellerinnen des Films, auf die Bühne gebeten. Dockhorn, die den Film in dieser Form auch zum ersten Mal sah, war vor Überwältigung noch ganz sprachlos. Mit einer musikalischen Einlage des Sängers Matze Rossi, Gewinner des Musikwettbewerbs zum Film, endete der Abend.

Mehr über den Film lesen Sie unter diesem Link.

Merle Collet

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