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Sony_Center

© David Heerde

"24h Berlin": Stadt auf dem Schirm

24 Stunden lang konnten die Berliner ihr Leben auf der Leinwand sehen – auch draußen auf vielen Plätzen.

Es ist 12.12 Uhr, und Leslie aus Neukölln tuscht sich die Wimpern. Sie erzählt, wie wichtig es ihr ist, in den Spiegel zu sehen, bevor sie ihre Wohnung verlässt. Das sei wohl eine ihrer „Macken“. Das Gesicht der 34-Jährigen ist in Großaufnahme zu sehen, darunter die Uhrzeit – auf einem Bildschirm auf dem Alexanderplatz.

Normalerweise läuft hier ein Film zur Mauerfall-Open-Air-Ausstellung nebenan. Doch am Sonnabend ist schon seit 6 Uhr morgens die RBB-Dokumentation „24h Berlin. Ein Tag im Leben“ zu sehen – laut Sender „die längste TV-Produktion in der Geschichte des Fernsehens“. Vor genau einem Jahr, am 5. September 2008, haben 80 Kamerateams 20 Berliner Protagonisten und viele Nebenfiguren 24 Stunden lang begleitet – von 6 bis 6 Uhr.

750 Stunden Material kamen dabei heraus, die zu einem 24-stündigen Film zusammengeschnitten wurden – streng chronologisch. Der Film ist nun, ein Jahr später, ebenfalls von 6 bis 6 Uhr zu sehen. Und es ist auf die Minute genau ein Jahr her, dass Leslie vor dem Spiegel stand. Der einzige Unterschied: Im vergangenen Jahr war der 5. September ein Freitag, dieses Mal ist es ein Sonnabend.

So haben mehr Berliner frei und können den Film sehen. Nicht nur zu Hause im Fernsehen, sondern auch an 50 öffentlichen Orten – zum Beispiel in Banken, Geschäften, Cafés und hier am Alexanderplatz. Aber wo sind die Zuschauer? Immer mal wieder bleibt jemand stehen, allerdings nur kurz. Wie Roland Horn mit seinem Hund „Smilla mit Gespür für alles“. Er hat noch nicht ganz verstanden, worum es geht. „Ich muss nicht unbedingt sehen, wie sich eine Frau 24 Stunden lang schminkt“, sagt er halb im Scherz.

Unter der Kuppel des Sony-Centers trifft man auf begeistertere Zuschauer: Klaus Dittgen guckt schon seit heute morgen um sechs. Zuerst zu Hause und jetzt hier, auf der großen Leinwand. Auch Dittgen hat seinen Hund dabei: Der 51-Jährige hat den Spaziergang mit „Schnecke“ so geplant, dass er an mehreren Orten vorbeikommt, wo „24h Berlin“ zu sehen ist. „Der Film spiegelt so richtig mein Leben wider“, sagt er. „So ist Berlin.“ Er hat sogar seine Mutter im Saarland überredet, sich die Dokumentation auf Arte anzusehen. Da werden Ausschnitte gezeigt. „Damit sie mal einen Eindruck davon bekommt, wie ihr Sohn hier so lebt. Sie war noch nie in Berlin.“ Er fiebert mit den Protagonisten mit: „Der Junkie hat sich vorhin einen Schuss gesetzt.“ Und Leslie aus Neukölln ist auf der Leinwand gerade an ihrem Arbeitsplatz in einem Callcenter angekommen. „Ich werde versuchen, bis morgen früh durchzuhalten“, sagt Dittgen. Sabine Jacob ist eigens aus Steglitz ins Sony-Center gekommen, um „nicht allein zu Hause zu gucken“. Jetzt ist die 51-Jährige etwas enttäuscht – weil sie nicht besonders viel Gesellschaft hat. Sabine Jacob will trotzdem mindestens eine Stunde gucken, „wie andere Berliner so ihre Tage verbringen – besonders Wowereit“. Auch der Regierende Bürgermeister gehört zu den Protagonisten, am Sonnabend spricht er nun im Technikmuseum mit den Machern der Dokumentation. Dort läuft der Film überall auf Bildschirmen an den Wänden – plötzlich läuft Wowereit an sich selbst vorbei und wird erneut gefilmt. Schon morgens um sechs hat er den Fernseher eingeschaltet und dabei vor allem sein Doppelkinn gesehen: „Das kommt wunderbar raus, wenn man mich so dicht von der Seite filmt.“

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