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Auf ein GLAS mit: Coco Schumann

Ganz schön abschreckend, dieses Schild an der Wand des Yorkschlösschens in Kreuzberg: „Don’t hang around the Band – they need the airs.“ Frei übersetzt: Häng nicht zu dicht bei den Musikern herum, störe ihre Kreise nicht.

Ganz schön abschreckend, dieses Schild an der Wand des Yorkschlösschens in Kreuzberg: „Don’t hang around the Band – they need the airs.“ Frei übersetzt: Häng nicht zu dicht bei den Musikern herum, störe ihre Kreise nicht. An einem Tisch neben dem Schild sitzt tatsächlich ein Musiker: Heinz „Coco“ Schumann, 84, Berliner Jazzlegende im karierten Jacket. Er lässt sich aber gern stören. Schließlich spielt er an diesem verregneten frühen Abend nicht im Yorkschlösschen, sondern trinkt eine Tasse Kaffee mit einem Schuss Sahne.

Er möge das Yorkschlösschen, weil hier die „richtige Jazzathmosphäre“ herrsche, sagt Schumann. Heutzutage komme er zwar meistens sonntags zum Mittagessen aus Zehlendorf her. Aber früher, ja, da sei er oft hier aufgetreten. Wie lange das her ist? Statt einer Antwort springt er auf und geht zum Tresen. Der Wirt kommt mit zurück zum Tisch: so vor 20 Jahren müsse das gewesen sein, antwortet er an Schumanns Stelle.

Das Yorkschlösschen ist voller Bilder, Plakate und Schilder – bis unter die Decke. Auch Schumanns Foto hängt dort, zwischen vielen anderen gerahmten Bildern von Musikern, über dem Klavier. Schumann und der Wirt beginnen, sich Musikerwitze zu erzählen. „Was ist wichtiger“, fragt Schumann. „Klavier oder Geige?“ Und antwortet gleich selbst: „Klavier, da kannste ’n Bier draufstellen.“

Dabei ist Schumanns Instrument die Gitarre, und Bier, sagt er, habe er auch noch nie getrunken. „Heute sehe ich mich vor mit der Esserei und der Trinkerei“, aber früher, da habe er eine Vorliebe gehabt „für die leichten ostfriesischen Tischweine namens Dornkaat“. Damals, als er und sein Kollege Helmut Zacharias als die deutschen Beatles galten – oder vielleicht eher als deren Vorläufer. Schließlich begann der Ruhm der beiden schon in den Fünfzigern: „Wenn wir auf Tour gingen, waren die Bahnsteige schwarz vor lauter Fans.“ Aber damit sei noch lange nicht Schluss. Als Beweis holt er sein „Büro“, wie er sagt, aus der Brusttasche: eine Klarsichthülle voller Zeitungsausschnitte, Autogrammkarten - und ein Foto von einem seiner Auftritte vor einigen Jahren. Er zeigt auf ein Mädchen, vielleicht 20, mit sehr langen Haaren und klopft dabei heftig mit dem Finger aufs Foto. „Die hier zog ihre Jeans runter, wollte ein Autogramm auf den Hintern.“

Nächstes Jahr will er wieder auf Tour gehen. Und im Januar kommt eine CD heraus, mit alten Liedern aus der Zeit, als er im „Rex Casino“ spielte, dem Berliner „Unterhaltungsladen“, wie Schumann sagt, für amerikanische Soldaten in den Fünfzigern. Solche „Unterhaltungsläden“ spielten immer eine Rolle in seinem Leben. Zum Beispiel der Groschenkeller: Da spielte er mit 17 verbotene Musik, während draußen die Bomben fielen. Oder jenes Kaffeehaus im KZ Theresienstadt, in das er als Sohn einer jüdischen Mutter 1943 deportiert wurde. Dort machte er ebenfalls Musik. Ebenso später in Auschwitz und einem Nebenlager von Dachau: So überlebte er dank der Musik. Darüber hat er ein Buch geschrieben und klärt als Zeitzeuge in Schulen auf. Für sein Engagement hat er das Bundesverdienstkreuz bekommen – und vor kurzem den Verdienstorden des Landes Berlin. „ Aber ich bin kein KZler, der Musik macht, sondern ein Musiker, der im KZ war.“ Daniela Martens

Yorckschlösschen, Yorckstr. 15 in Kreuzberg, Tel. 215 80 70, täglich geöffnet 17 bis 3 Uhr, sonntags ab 10 Uhr.

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