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Auf ein GLAS mit: Rainer Rother

Nein, wahrscheinlich ist hier doch kein Uran in einer der vielen Weinflaschen versteckt. Aber wenn man mit Rainer Rother im Ristorante Essenza am Potsdamer Platz sitzt und sich über Getränke und Filme unterhält, dann könnte einem ganz kurz dieser paranoide Gedanke kommen.

Nein, wahrscheinlich ist hier doch kein Uran in einer der vielen Weinflaschen versteckt. Aber wenn man mit Rainer Rother im Ristorante Essenza am Potsdamer Platz sitzt und sich über Getränke und Filme unterhält, dann könnte einem ganz kurz dieser paranoide Gedanke kommen. Hat der Direktor der Deutschen Kinemathek und seines Museums für Film und Fernsehen doch gerade vom Hitchcock-Klassiker „Notorious“ erzählt: In diesem Film entdecken Ingrid Bergman und Cary Grant Uran in einem Weinkeller. Und auch wenn das Essenza mit seiner hohen Decke und den Fenstern bis zum Boden nicht direkt nach Weinkeller aussieht, gibt es hier bestimmt ebenso viele Flaschen und Kisten: Überall stehen und liegen sie ordentlich aufgereiht – bis unter die Decke.

„Der Wein hier ist aber wesentlich besser als der aus dem Hitchcock-Film“, sagt Rother und schmunzelt. Trotzdem hat der 51-Jährige an diesem warmen Spätnachmittag lieber eine Apfelschorle bestellt. Das Lokal ist ziemlich leer, die Tische sind schon festlich mit blütenweißen Decken für das Abendessen gedeckt. „Das Essenza ist für mich ein Rückzugsort, wenn ich eine Abwechslung zum Büro brauche“, sagt Rother. Er muss dafür vom Museum aus nur einmal schräg über die Straße gehen.

Wie ein Schiffsbug ragt der gläserne Eingangsbereich des Essenza in den Potsdamer Platz. Auf einer Seite ist das „Schiff“ offen. Tische und Stühle stehen auf dem Gehweg, man sitzt direkt auf dem Potsdamer Platz, den Rother sehr mag. Allerdings findet der Filmhistoriker ihn gleichzeitig „etwas künstlich“, weil er nicht auf natürliche Weise gewachsen sei. Er wäre eine gute Kulisse für einen Film wie „Lost in Translation“ über Fremde, die sich in der großen Stadt verloren fühlen, findet Rother: „Aber das, was der Platz mal war, ein Mittelpunkt der Stadt auch für die Berliner, wird er wieder werden.“ Zur Berlinale, dem „Fest der Berliner“, sei das schon so. „Dadurch werden die Abneigung und die Fremdheit mit der Zeit verschwinden.“ Er fand von Anfang an, dass es ein besonders geeigneter Ort für das Filmfestival ist. „Sehr praktisch, dass alle Kollegen so nah beieinander sind und man sich schnell treffen kann.“ Und zwar oft im Essenza. Da fachsimpelt er dann etwa mit dem Leiter der Filmabteilung des Museum of Modern Art in New York. Auch die Planung für das Festival findet manchmal hier statt. „Ich habe hier mit Festivalleiter Dieter Kosslick schon so manches ausgeheckt“, sagt Rother, der Mitglied der Auswahlkommission für den Wettbewerb und Leiter der Retrospektive ist.

Mit großen Filmstars saß er noch nicht im Essenza. Manchmal aber mit ihren Nachkommen, wenn sie den Nachlass an die Kinemathek übergeben, etwa den von Emil Jannings. Mit wem also würde er hier gern mal Apfelschorle oder uranfreien Rotwein trinken? Mit den Coen-Brüdern und Scarlett Johansson. Weil sie eine so gute Schauspielerin ist? Oder eher wegen ihres Aussehens? Rother überlegt einen Augenblick. Dann sagt er leicht grinsend: „Beides.“ Daniela Martens

Ristorante Essenza, Potsdamer Platz 1 in Mitte, Tel 25 79 68 56, täglich 11-0 Uhr

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