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Popgruppe Nylon

© dpa

Auftritt der Woche: Durchtanzte Nächte und dampfender Asphalt

Die Musiker von Nylon elektrifizieren den Chanson. Sängerin Lisa Bassenge schreibt ihre Songs in Hotels – und spielt sie zusammen mit den Jungs ihrer Band am Sonntag zu Hause: In Kreuzberg.

Am liebsten, sagt Lisa Bassenge, schreibt sie in Hotelzimmern. Wenn sie auf Tour ist und Berlin weit weg. Wenn keine Freunde anrufen und ihre Kinder nicht nach ihr schreien, dann hat die Sängerin den nötigen Abstand zum Alltag, um ihre Texte aufs Papier zu bringen. Die handeln dann auch oft von unüberbrückbarer Ferne, von Abschied und vergangenem Glück.

„Damals hatten wir keinen Kummer und keine Sorgen“, besingt sie in „Damals“ eine welkende Liebe, „was ist bloß aus uns geworden“. Das ist freilich nicht persönlich zu verstehen, dazu geht es der gefeierten Jazz-Sängerin aus Kreuzberg viel zu gut. Ihre Band Nylon macht keine Weltschmerzmusik. Die entrückte Melancholie ist vor allem augenzwinkernde Pose – eine Träne im Knopfloch, auf den Lippen ein Lächeln.

Als Nylon vor vier Jahren begannen, den Charme alter Chansons mit der Coolness elektronischer Clubmusik zu verbinden, reagierten die Kritiker verzückt. Das erste Album „Die Liebe kommt“ versammelte Coverversionen von Hildegard Knef bis Manfred Krug, selbst ein Stück der NDW-Popper Ideal war in neuem Gewand zu hören. Dass deutsche Texte so elegant vertont sein können, mit dieser zeitlosen Schwerelosigkeit des French Pop Marke Air, war etwas Neues.

Der große Zuspruch ermutigte die Band, neben Klassikern immer mehr eigene Stücke einzubringen. Auf dem dritten Album „10 Lieder über Liebe“, das vergangenen Sommer erschien, fügen sich fünf Adaptionen und fünf Eigenkompositionen nahtlos aneinander. Knef und Krug sind wieder dabei. Und eine Liebeserklärung von Lisa Bassenge an Berlin, morgens nach einer durchtanzten Nacht, wenn es am schönsten ist: „Nach dem Regen dampft der Asphalt / Und die Morgensonne scheint / Du läufst durch den Häuserwald / Hier willst du immer bleiben“. „Ein Tag den du magst“ hat Bassenge in Köln geschrieben, in einem Hotelzimmer natürlich. Und dieses Lied darf man sogar persönlich verstehen.

Als die heute 34-Jährige nach Kreuzberg zog, war sie 18, Punkerin, und brach aus dem Elternhaus in Zehlendorf aus. Seitdem kann sie sich nicht vorstellen, woanders zu leben. „Das hier ist meine Heimat. Ich kenn’ hier total viele schöne Läden und nette Leute.“ Zwei kleine Kinder hat Bassenge. Wer passt auf die auf, wenn sie auf Tour ist? „Na, ihr Vater. Oder meine Mutter.“

Langsam sammeln sich bei Nylon wieder Ideen für ein neues Album. „Normalerweise entwickelt jeder was für sich und wir bringen das zusammen“, beschreibt Bassenge den Produktionsprozess. „Nächstes Mal wollen wir mehr gemeinsam im Proberaum entwickeln.“ An der Mischung aus Fremd- und Eigenkompositionen wird die Band aber festhalten – auch wenn sie am liebsten nur eigene Sachen machen würden, wie Bassenge gesteht. „Wir haben halt unser Erfolgskonzept.“ Kann so ein starres Konzept auch einengen? Nicht im Fall der vier Jazzmusiker, die alle ihre Finger noch in anderen Projekten haben. Im April wird die Sängerin Live-Aufnahmen für die neue Platte ihres Lisa Bassenge Trios machen, in dem auch Nylon-Bassist Paul Kleber mitspielt.

Vorerst freut sich Bassenge aber auf den Auftritt im Lido am Sonntag. „In Berlin zu spielen, ist schon am coolsten, hier sind die Konzerte immer voll und es herrscht ein ganz anderer Vibe.“ Schreiben kann sie ja dann wieder woanders.

Sonntag, 21 Uhr, Lido, Cuvrystraße 7 in Kreuzberg; Eintritt: 21 Euro

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