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© AFP

Auftritt der Woche: Snow Patrol: Mitten im Non-Stop-Wahnsinn

Ihr jüngstes Album schrieben Snow Patrol in irischer Landeinsamkeit – aufgenommen wurde es in Berlin. Trotz aller Anstrengungen scheinen die goldenen Tage wieder vorbei zu sein.

Am Ende der zweiten Staffel der TV-Ärzteserie „Grey‘s Anatomy“ überschlagen sich die Ereignisse: Nach zahllosen Gefühlswirren scheint sich die Titelheldin wieder mit ihrem Lover zu vertragen. Doch das ersehnte Happy End wird überlagert vom Kummer ihrer Freundin, der die Liebe ihres Lebens wegstirbt. Allein in den USA schnieften bei der Erstausstrahlung 22 Millionen Zuschauer zu den melancholischen Klängen einer schottisch-nordirischen Band: Snow Patrol lieferten mit ihrer Gitarrenpop-Hymne „Chasing Cars“ den Soundtrack zum tränentreibenden Finale, was ihnen nicht nur im umkämpften US-Musikmarkt einen Popularitätsschub einbrachte.

2006 waren Snow Patrol in England schon Stars, in Deutschland aber noch relativ unbekannt. Was sich dank „Chasing Cars“ schlagartig änderte und ihr damaliges Konzert in der ausverkauften Columbiahalle für Fans zum zwiespältigen Vergnügen machte: Wie häufig bei Über-Nacht-Erfolgen bejubelte ein Großteil der Anwesenden lediglich die bekannten Hits und ließ den Rest des Repertoires teilnahmslos über sich ergehen. Am Sonnabend kann man am selben Ort überprüfen, ob das hoffentlich immer noch zahlreiche Publikum inzwischen seine Hausaufgaben gemacht hat.

Das in Glasgow lebende, in der Mehrheit aus Belfast stammende Quintett hat sich den Ruhm hart erarbeitet. Nach schüchternen Anfängen hatten Snow Patrol zwei Platten bei einem schottischen Indie-Label herausgebracht, deren handfester Gitarrenrock kaum kommerzielles Potenzial besaß. Das änderte sich 2004 mit dem dritten Album „Final Straw“, für das sich Sänger Gary Lightbody und seine Kollegen mächtig ins Zeug legten: Opulente Breitwandproduktion und elegischer Melodiegesang orientierten sich an Stadionbands wie Coldplay und U2, katapultierten Snow Patrol fast in deren Liga.

Den Erfolg konnten sie zwei Jahre später mit „Eyes Open“ noch toppen: Fünf Millionen verkaufte CDs zogen einen Wirbelsturm von Verpflichtungen nach sich, der die Band nach 18-monatigem Tournee- und Promo-Stress zerknittert ausspuckte. Für den Nachfolger „A Hundred Million Suns“ zogen sich Snow Patrol erst mal in irische Landeinsamkeit zurück, ehe sie die dort entstandenen Songs in den hiesigen Hansa-Studios vollendeten. In Interviews betonte Gary Lightbody, wie sehr ihn in Berlin „dieses pulsierende Leben, diese Hektik, dieser Non-Stop-Wahnsinn“ inspiriert hätten. Fraglich, ob sich die braven Rocker die Nächte im Berliner Clubleben um die Ohren geschlagen haben: Wenn überhaupt, schlägt sich der Einfluss der Spreemetropole in einer neuen Komplexität der Songs nieder, die schon mal deutlich über den üblichen BombastRock-Rahmen hinausreichen.

Trotz aller Anstrengungen scheinen die goldenen Tage wieder vorbei zu sein: „A Hundred Million Suns“ hat gerade mal ein Sechstel so viel verkauft wie der Vorgänger – selbst in Zeiten schrumpfender CD-Märkte ein dramatischer Einbruch. Vielleicht sollten Snow Patrol den Produzenten von „Grey‘s Anatomy“ mal wieder ein paar Lieder schicken.

Sonnabend, 23. Mai, 20 Uhr, Columbiahalle. Tickets kosten 30 Euro.

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Jörg W, er

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