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Kirchen

© Thilo Rückeis

Ausstellung: Offene Geheimnisse

Altvertraut, doch völlig anders: Künstler haben 16 Berliner Kirchen gemalt. Jetzt sind die Bilder zu sehen.

Es ist Sommer, sehr früh am Morgen, die Maler stellen ihre Staffeleien auf. Hinter dem roten Backstein der Heilandskirche in Moabit geht die Sonne auf und taucht die Turmstraße in ein weiches, fast surreales Licht. Nun heißt es schnell reagieren und den höchsten Kirchturm Berlins malen, denn schon bald werden die Lichtverhältnisse komplett anders sein. Vielleicht verändert auch plötzlich ein rotes Auto die Farbgebung oder eine Passantengruppe die gesamte Bildkomposition. „Plein-air“ heißt diese Form des Malens, mit der sieben Künstler aus Finnland, Holland, Italien und Deutschland im vergangenen Jahr in rund 150 Bildern 16 Kirchen in Berlin gemalt haben. Bis zum 2. Mai dauert die Ausstellung „Im Bild: Berliner Kirchen“, die am heutigen Samstag in der Galerie Classico in Steglitz von Generalsuperintendent Ralf Meister eröffnet wird.

Unter den sieben Künstlern sind auch die Berliner André Krigar und Diether Münchgesang. Beide schätzen das Vor-Ort-Malen, die Spontaneität und Konzentration, die es verlangt. „Draußen ist man dem Zufall viel stärker ausgesetzt als im Atelier, man muss seine Spur immer wieder neu finden, im steten Dialog sein mit dem Ort“, beschreibt Krigar diese Arbeit. Er wie auch die anderen Maler haben nicht zum ersten Mal an einem solchen Plein-air-Projekt der Steglitzer Galeristin Christine Baba teilgenommen. Sie sagt über ihre Ausstellung: „Mit den Mitteln der Kunst möchten wir die Berliner Kirchen in den Blick der Öffentlichkeit rücken, die meist weniger Aufmerksamkeit bekommen.“ Anders zum Beispiel als der Dom oder die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Außerdem sei es bei solchen international besetzten Gruppenprojekten immer spannend, die teils ganz unterschiedlichen Handschriften der Künstler miteinander vergleichen zu können.

Jeder der sieben Maler hat fast jede der 16 Kirchen gemalt, überwiegend in Öl, was den Abtransport der vielen noch feuchten Bilder an den gemeinsamen Maltagen im vergangenen Jahr schwierig gestaltete. „Kaum ein Bild wurde dann nachträglich im Atelier noch verändert“, erzählt Münchgesang, dessen Kirchenbilder Wärme und viel Sympathie für die Schönheit der Orte ausstrahlen. Alle Gemälde versuchen, die Anziehungskraft und symbolische Bedeutung der Kirchen einzufangen – sei es als architektonische Orientierung während eines Spazierganges, als kulturhistorischer Ort oder als geistliche Stätte. An Zions- oder Gethsemanekirche oder am Französischen Dom das Vertraute neu und Unbekanntes erstmals zu entdecken, ziehe den Betrachter gleichermaßen an, gerade weil die Interpretationen der Künstler so verschieden sind: In leuchtenden Farben drücken die Bilder des Finnen Heinrich Ilmari Rautio (Bild l. u.) Überschwang und Lebensfreude aus, rätselhaft und fast verschlossen wirken die Kirchen des Italieners Paolo Petrò (Bild r.u.). Mit beinahe analytischer Akribie nähert sich Erhard Göttlicher in seinen Bleistiftzeichnungen dem alltäglichen Geheimnis Kirche.

Die Zionskirche in Mitte hat es auch André Krigar besonders angetan. Sein Bild „Zionskirche – Im Netz der Staatssicherheit“ verweist durch die spielerisch-symbolhafte Betonung der ineinander verflochtenen Oberleitungen vor dem Kirchturm auf die große Bedeutung des Ortes für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Der Künstler, der schon seine nächsten Projekte an der Loire und in Italien plant, ist stolz auf dieses kulturgeschichtliche Erbe: „Solche Kirchen hat keiner – nur wir in Berlin!“

Galerie Classico, Schützenstr. 52, Steglitz, Mi-Fr 15-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Infos unter www.galerie-classico.de oder der Telefonnummer 79 70 93 84. Am heutigen Sonnabend um 19 Uhr ist Eröffnung.

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