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Bauarbeiten: Sonntagsruhe am Ostkreuz

Die Bahn darf an ihrer wichtigsten Baustelle einmal in der Woche nicht arbeiten. Das ärgert den Konzern - und auch die Anwohner.

Am Donnerstagabend, als das Urteil des Verwaltungsgerichts verkündet war, reagierte die Bahn in aller Schärfe: Jetzt, sagte ein Konzersprecher, bestehe die Gefahr, dass der Bahnhof Ostkreuz nicht bis 2016 fertig sein werde. „Der Zeitplan gerät ins Wanken“. Die Bahn sei mit dem Urteil „gar nicht zufrieden“. Es geht um das Ostkreuz, konkret: Die Sanierung des Bahnhofs. Bis 2016 soll er abgerissen und neu gebaut werden, damit die Fahrgäste nicht mehr auf holprigen Bahnsteigen zu ihren S-Bahnzügen stolpern müssen. 411 Millionen Euro investiert der Konzern, das geht nicht ohne Lärm.

Streit gibt es nun schon seit Wochen. Familie Freymann wohnt in der Neuen Bahnhofstraße mit Blick auf die Gleisanlagen. Und Freymanns sollen – wie 300 Anwohner im Kiez auch – unter Umständen mehrmals wöchentlich in den Baunächten ins Hotel umziehen, notfalls bis 2016. Damit will sich Jürgen Freymann, 46, aber nicht zufrieden geben und hat geklagt: „Sollen sie doch bitte tagsüber bauen“, sagt er. „Ich bin doch gar nicht gegen das Bauprojekt, aber ich will ab Mitternacht schlafen“.

Im Gerichtsgebäude trafen die beiden Parteien gegen Mittag aufeinander. „Wir wollten den Streit schlichten“, sagt Freymann. Doch jetzt ist auch er „enttäuscht und sauer“. Denn die Richter sprachen en detail: Ja, die Bahn darf das Ostkreuz umbauen, dort hämmern und Beton zertrümmern, ja, sogar nachts. Aber nicht am Sonntag: Es könne „dem Antragsteller und seiner Familie, die (...) annähernd durchgängig Tag und Nacht Baulärm unterschiedlicher Stärke ausgesetzt seien, nicht zugemutet werden, zusätzlich zu den Nächten auch Sonntag außerhalb der eigenen Wohnung zu verbringen“.

Nun herrscht sonntags zwischen 6 und 20 Uhr Ruhe am Ostkreuz. Das ärgert die Bahn mächtig: „Uns fehlen 14 Arbeitsstunden“, sagte ein Sprecher, „die müssen wir jetzt nachts unter der Woche nachholen“. Die Anwohner am Bahnhof haben deshalb wenig vom Urteil, weil sie zwar sonntags Ruhe haben, aber ihnen zugleich häufiger der Umzug in ein Hotel am Ostbahnhof droht.

Eigentlich hatten die Kläger – „wir drei Hansel gegen 14 Juristen von Bahn und Senat“ – vorgeschlagen: Erstens bessere Informationen für die Anwohner, um rechtzeitig zu Verwandten ziehen zu können und nicht ins Hotel. Zweitens weniger Lärm in der Nacht, „bis zu 70 Dezibel“. Oder mehr Platz im Hotel für Familien mit Kindern. „Die Bahn hat alle Punkte abgelehnt“, sagt Freymann, der seit drei Jahren am Bahnhof wohnt. „Die wollen uns zermürben“.

Für die Bahn geht es um viel: Vor wenigen Wochen hatte sie nachts am Wochenende nicht am Ostkreuz bauen dürfen, dabei seien „Mehrkosten im fünfstelligen Bereich“ entstanden. Und tagsüber, wie Anwohner Freymann hofft, könne man nicht bauen: „Wir müssten Busse für den Ersatzverkehr anschaffen“, sagte ein Sprecher. „Aber wie viele Busse wären das bei 100 000 Menschen am Tag?“

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