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Bilder wie bei der WM 2006: Die deutschen Fußballfans feiern wieder.

© AFP

Berlin feiert: Volle Fanmeile, Autokorsos - und Flaschenwürfe

Sie bangten lange, doch dann gab es grenzenlosen Jubel. Berlin feierte Deutschlands Einzug ins WM-Achtelfinale. Hunderttausende Fans jubelten auf der Fanmeile. Einen Konflikt mit der Polizei gab es im Märkischen Viertel.

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Auf der Fanmeile an der Siegessäule versammelten sich laut Veranstalterangaben 300.000 Menschen. Kurz nach Spielende war die Innenstadt ein einziges Hupkonzert. Deutschland-Fans formierten sich zu Autokorsos. Wie bei wichtigen Siegen im Fußball üblich, war vor allem der Kurfürstendamm das Ziel der jubelnden Fans. 6500 Fans feierten nach Angaben der Polizei ausgelassen rund um den Breitscheidplatz. Die Polizei hatte diesmal den Kurfürstendamm schon früh für den Verkehr gesperrt, auch um feststeckende Busse mit eingesperrten Passagieren zu vermeiden. Nach dem deutschen Auftaktsieg bei der WM über Australien hatten mehrere Fahrgäste festgesessen und sich beschwert. Autokorsos waren nur um den Kurfürstendamm herum möglich, der Rest feierte zu Fuß.

Gegen Mitternacht zerstreuten sich die feiernden Fans schon wieder, meldete das Lagezentrum der Polizei. Insgesamt sei "fröhlich und ausgelassen" gefeiert worden, bilanzierte ein Polizeisprecher am Donnerstagmorgen. Um spätestens zwei Uhr am Morgen sei der Verkehr überall in der Stadt wieder freigegeben worden.

Einen Konflikt gab es im Märkischen Viertel. 60 Fans hatten dort eine Kreuzung besetzt und attackierten die Polizei bei deren Ankunft. "Die Kollegen wurden mit Flaschenwürfen empfangen", sagte der Polizeisprecher. Die Beamten hätten einen 20-Jährigen vorübergehend festgenommen, weil er sich laut Polizeiangaben der Aufforderung, die Kreuzung zu räumen, hartnäckig widersetzt habe. Zahlreiche Anzeigen wegen Landfriedensbruch seien erstattet worden. Verletzte habe es aber nicht gegeben. Ohnehin seien in Berlin bei den üblichen kleineren Vorfällen einer solchen turbulenten Nacht nur einige leichtere Verletzungen registriert worden.

Auf die Fanmeile im Tiergarten kamen nach Angaben des Veranstalters rund 200.000 Zuschauer, die Polizei sprach am Morgen danach aber nur von "mehreren Zehntausend". Am Ende ging es einigen Fans nicht schnell genug: Sie rissen Zäune um, die Polizei hatte Mühe, die Situation unter Kontrolle zu halten. Doch von Randale könne man nicht sprechen, sagte ein Sprecher der Polizei. "Das waren riesige Massen. Wenn die sich bewegen, bleibt eben nichts stehen", sagte er.

Erneut wurde die Kreuzung Schönhauser Allee/Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg in eine inoffizielle Fanmeile verwandelt - wie schon beim deutschen Sieg im Auftaktspiel gegen Australien. Diesmal war die Polizei auch hier vorbereitet: "Der Verkehr wurde umgeleitet, auch in Absprache mit der BVG", hieß es bei der Polizei. 800 Menschen durften in Ruhe feiern, um kurz vor Mitternacht löste sich die Menge von selbst auf.

Bereits eine Stunde vor Spielbeginn musste man zehnminütige Wartezeiten an den Eingängen in Kauf nehmen. Es roch nach Alkohol. Vor den Toren stapelten sich Bierglasflaschen, die - genauso wie die Vuvuzelas - verboten waren. Die Fans vertrieben sich die Wartezeit bis zum Anpfiff. Kurz vor dem Spiel wurde ein Fanschal durch die Massen gereicht - er ist 100 Meter lang. Wie viel Wolle dafür verbraucht wurde, ist nicht bekannt. Doch die Online-Community, die ihn gestrickt hat, will für jedes weitere Spiel 25 Meter hinzufügen.

Anfangs war die Stimmung noch ausgelassen. Fahnen wurden geschwenkt, "Deutschland, Deutschland!"-Rufe ertönten. Als die Mannschaften aufliefen und Kevin-Prince Boateng, der Ex-Herthaner, der für Ghana spielt und Michael Ballack vor der WM brutal gefoult und um die WM-Teilnahme gebracht hatte, auf der Leinwand erschien, ertönten Buhrufe. Im Laufe der ersten Halbzeit wurde die Stimmung dann immer verhaltener und ruhiger. Bis zum deutschen Tor.

Als Mesut Özil per Fernschuss traf, brach Jubel los. Doch die angespannte Atmosphäre kehrte zurück. Erst als der 2:1-Sieg der Australier gegen Serbien sich andeutete, löste sich die Anspannung allmählich. Mit dem Abpfiff brach dann endgültig grenzenlose Euphorie aus. Da wussten es alle: Deutschland steht sicher im Achtelfinale! Gegen den alten Rivalen England!

Am Nachmittag war die Berliner Fanmeile auf der Straße des 17. Juni eröffnet worden. Ohne großes Publikum, aber dadurch in besonders entspannter Atmosphäre. Bis kurz vor Beginn der ersten Live-Übertragung um 16 Uhr schlenderten nur ein paar hundert Besucher zwischen der Hauptbühne an der Siegessäule und der Yitzhak-Rabin-Straße. Das dortige Riesenrad drehte sich nur ein einziges Mal, und Verkäufer an den Buden langweilten sich. Erst beim Anpfiff des Spiels England gegen Slowenien wuchs die Zuschauerzahl auf wenige tausend an. Bis eine Stunde vor Spielbeginn sah es nicht so aus, als ob die Fanmeile ein "voller" Erfolg würde. Die Polizei ging zu diesem Zeitpunkt nicht davon aus, dass das Gelände aufgrund übermäßigen Andrangs geschlossen werden müsste. Ein Fehlschluss.

Trotz der zahlreichen Besucher waren sich Händler und andere Beteiligte darin einig, dass der Erfolg der Fanmeile maßgeblich vom Erfolg der deutschen WM-Mannschaft abhänge: „Wenn Deutschland nicht weiterkommt, machen wir hier alle pleite“, sagte der Verkäufer an einem Bierstand. In den Tagen zuvor hatte er schon auf dem Fanfest vor dem Olympiastadion ausgeschenkt, aber kaum Umsatz gemacht: „Da war es viel zu abgelegen.“ Nun hoffen alle Beteiligten auch auf einen Sieg gegen England, damit die Neuauflage des Sommermärchens sich fortsetzen kann.

400 Ordner und 200 Helfer des Deutschen Roten Kreuzes waren im Einsatz, um das Gelände und große Teile des Tiergartens stand ein sechs Kilometer langer Zaun. Neben Waffen, Glasflaschen und Feuerzeugen waren auch Vuvuzelas tabu – und tatsächlich hörte man kein Tröten. Neben Deutschen fanden sich am Nachmittag einige Dutzend Briten ein. Laut Polizeiangaben kam es während des Deutschlandsieges nur zu einigen kleineren Verletzungen durch Rangeleien. Insgesamt sei es aber friedlich geblieben.

Die Fanmeile hat ihren ersten Test trotz aller Skepsis bestanden. Am Sonntag steht das nächste deutsche Fanfest an.

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