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Berliner Autoren: Mord im Buchladen

Krimis, Geister, Herzblut: Beim Lesemarathon stellen 40 Berliner Autoren ihre Geschichten vor. Bis Freitag dauert das literarische Vergnügen. Der Veranstaltungsort und das jeweilige Thema variieren von Tag zu Tag.

Bei der Addams Family könnte es nicht gemütlicher sein: Kerzenflammen spiegeln sich auf dem glänzenden Lack eines dunklen Sargs, seine silbernen Beschläge glitzern. Im aufgeklappten Deckel ist ein Bild von Jesus mit der Dornenkrone zu sehen. Zwei brusthohe zehnarmige Kandelaber stehen zwischen Sarg und Mikrofon. „Wenn du mal unter der Erde bist, steht mir nich’ mal Witwenrente zu“, sagt Brigitte Hähnel traurig, sie liest die Worte aus einem Manuskript.

Sie sitzt an diesem Montagabend nicht etwa in einem Beerdigungsinstitut, sondern in der Dorotheenstädtischen Buchhandlung in Moabit. Der Sarg ist leer und nur schaurig-schöne Dekoration zum Motto des Abends: „Früher oder später wird jeder mal zum Täter“. So heißt die erste Veranstaltung des vom Verband deutscher Schriftsteller ausgerichteten 8. Lesemarathon, Brigitte Hähnel und elf andere Autoren lesen diesmal, und es moderiert Jan Eik. Bis Freitagabend werden rund 40 Berliner Schriftsteller an verschiedenen Orten lesen. Jede Veranstaltung hat ein eigenes Motto, etwa „Herzblut“. Zu diesem Thema lesen Autoren wie Sarah Mondegrin und Gunnar Kunz passenderweise im Klinikum Buch.

Aber erst einmal geht es jetzt um Tod und Täter. Hähnels Text heißt „Süßer Sarg“ – eines ihrer Radiohörspiele. Die Autorin schlüpft beim Lesen in die Rolle ihrer arbeitslosen, sanft berlinernden Protagonistin, die ihren im Sessel gestorbenen Lebensgefährten mit Zuckerglasur einbalsamiert – um seine Rente weiter zu kassieren: „Statt nach bitterem Bier hast du so süß gerochen.“ Lang ist ihre Geschichte nicht. Jeder Schriftsteller hat zehn Minuten Zeit für seinen Mord. Beliebtes Werkzeug: der Hammer. „Und sie lief voll Hassgefieber in die nahe Werkzeugkammer / wählte dort den dicksten Hammer/ knallt’ ihn mächtig wie Gott Thor / ihrem Wilhelm hinters Ohr“, liest Dichterin und Kabarettistin Elke Querbeet. Und alles nur, weil „Wilhelm“ 20 Jahre lang seine Krawatten bekleckert hat – jede einzelne ein Geschenk seiner Frau, der Mörderin. Auch Sybil Volks gibt ihrer Mörderin, dem „heißblütigen Rasseweib“ Julia, einen Hammer in die Hand. Das Opfer liegt danach neben einer Jauchegrube in einer Blutlache.

Barbara Ahrens’ Fantasie ist da wesentlich harmloser: Ihr Täter ist kein Mörder, sondern ein Brandstifter, der seine Anschläge der Polizei mit Wortspielrätseln ankündigt: So legt er etwa Feuer in der „morschen Kopie“. Bis die Polizei herausfindet, dass das ein Anagramm für „Komische Oper“ ist, ist er längst über alle Berge. Und so braucht diese Geschichte eins nicht: einen Sarg. Daniela Martens

„Geister, Gespenster, Erscheinungen“, heute, 19.30 Uhr, Café Boca, Mariannenstr. 50 in Kreuzberg, Eintritt frei; „Herzblut“, 4. April, 18 Uhr, Helios-Klinikum Buch, Schwanebecker Chaussee 50, Eintritt frei. Näheres unter www.vs-in-berlin.de. Elke Querbeet macht am 5. April Kabarett im Gasthaus Valentin, Körtestr. 21 in Kreuzberg, 8 Euro.

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