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Der neue Club „My Name is Barbarella“ fasziniert durch seine grellen Farben.

© Promo

Berliner Clubszene: Kreuzberg ist das neue Mitte

Beats entlang der U-Bahntrasse: Am Görlitzer Park wird nun im Barbarella-Club getanzt, House soll dem Minimal-Einheitsbrei die Stirn bieten. Der Weekend-Macher eröffnet derweil eine neue Bar ganz in der Nähe.

Immer wieder rumpelt eine gelbe Hochbahn über das Stahlkonstrukt. Die U 1 fährt hier am Görlitzer Bahnhof auch spätabends noch alle paar Minuten vorbei. Gegenüber im „My Name is Barbarella“ hört man davon nichts. Dafür ist die House-Musik zu laut, die aus den Boxen des neuen Clubs an der Skalitzer Straße dröhnt. Aber durch die Panoramafenster im ersten Stock des Barbarella hat man das Gefühl, mittendrin im nächtlichen Kreuzberg zu tanzen. Bei der Taufe des Clubs diente der Film „Barbarella“ mit Jane Fonda als Inspiration – ein Science-Fiction-Streifen von 1968. Und auch sonst versprüht der neue Laden ziemlich viel Retro-Flair. Bunte Plastiksessel aus den 70er Jahren stehen herum, an der Decke hängen ganze Batterien von Lampen. Die Wände sind von Hand mit „Barbarella“-Motiven bemalt.

Eröffnung feierte das Barbarella bereits im November, die vier Startpartys schlugen richtig ein, der neue Club sprach sich in der Szene schnell herum. Doch dann musste Betreiber Stefan Zenow vorübergehend schließen. Behördliche Auflagen wurden nicht erfüllt, es fehlten Rauchmelder und Fahrradständer. Anfang Januar eröffnete der Club dann abermals. Dabei ist das eigentlich ein Desaster. Club auf, Club zu, Club auf: Normalerweise kommt das bei Berlins Partygängern nicht so gut an. Auch spontane Nachtschwärmer wollen nicht auf gut Glück Locations abklappern. Andererseits ist Berlins Feierszene einigermaßen tolerant und hat auch in provisorischen Bretterbuden und dreckigen Kellerlöchern ihren Spaß. Dagegen ist das Barbarella nun ein Schmuckstück, musikalisch wie atmosphärisch. Zudem kann das Team noch von den Vorschusslorbeeren zehren.

Watergate, Möbel Olfe, Magnet. Die Ecke hat sich etabliert

Mit dem Club betritt Stefan Zenow Neuland. Mit seinem Partner Alex Jahnke betreibt er bereits zwei Bars: in Prenzlauer Berg das „Zu mir oder zu dir“ und in Friedrichshain das „Süß war gestern“. Doch weil Kreuzberg und das angrenzende Neukölln schwer angesagt sind, was das Ausgehen betrifft, haben sie beschlossen, sich hier ebenfalls anzusiedeln. Sie befinden sich damit in bester Gesellschaft, nicht weit entfernt, an der Oberbaumbrücke, läuft das Watergate seit Jahren erfolgreich, gleich nebenan hat voriges Jahr der Magnet Club eröffnet. Um den U-Bahnhof Kottbusser Tor haben sich Läden wie das Monarch, Westgermany, Möbel Olfe, die Paloma Bar und der Südblock etabliert; jedes Wochenende ziehen sie scharenweise Nachtschwärmer an. Zwischen all diesen Platzhirschen versuchen Zenow und Jahnke nun, sich mit viel Selbstbewusstsein zu behaupten. Um markige Sprüche sind sie nicht verlegen: Die Musikanlage in der zweiten Etage ihres Clubs, die im April eröffnet werden soll, sei „akustisch besser als im Berghain“, versprechen sie. Und zwischen der videotauglichen LED-Decke über ihrer Tanzfläche und der im Watergate lägen „technisch Welten“.

Nur ein paar Straßen weiter zieht es Marcus Trojan mit seinem neuen Projekt, auch er probiert Neues. In der Sanderstraße in Neukölln eröffnet er Mittwoch nächster Woche das „Pigalle“, eine ausgebaute Lounge. Damit wagt er sich zum ersten Mal raus aus seinem gewohnten Kiez in Mitte – am Alexanderplatz betreibt er im ehemaligen Haus des Reisens das Weekend, und wenige hundert Meter Luftlinie entfernt, in der Torstraße, zusammen mit Cookies-Macher Heinz Gindullis und Fotograf Sascha Kramer das Trust.

Nun also Neukölln. Er habe sich in das Objekt verliebt, sagt Trojan. Außerdem fände er die Ecke interessant, viele seiner Freunde würden in der Gegend wohnen. Ein Vorteil sind die günstigen Mieten und auch die Tatsache, dass viele Gebäude in der Gegend noch nicht saniert sind – dadurch habe der Kiez einen besonderen Charme. Und auch das Publikum unterscheide sich deutlich von dem in Mitte: weniger Touristen, mehr Studenten. Vor allem aber habe ihn die Herausforderung gereizt, Vorreiter zu sein. Ein Restrisiko bleibt: „Ich brauche erst mal ein Gefühl dafür, wie sich die Dinge entwickeln.“ Dafür wolle er sich ausreichend Zeit lassen.

"Wir wollen in Richtung House gehen"

Das Barbarella will sich musikalisch von seinen Mitstreitern abgrenzen. „Wir wollen in Richtung House gehen“, sagt Betreiber Stefan Zenow. Eine mutige Ankündigung. Seit Jahren wird die Berliner Clubszene von uniformem Minimal Techno dominiert. Da ist ein schriller House-Club im Stil der 70er Jahre ein waghalsiges Unterfangen. Doch man wolle diese „Nische“ besetzen, ergänzt Booker Heiko. Ins Barbarella wolle er DJs holen, „die hier keiner kennt“, wie er sagt: Künstler aus Paris und Detroit, wo House Music seine Wurzeln hat. Aber auch Altbekannte wie Ian Pooley oder Bar-25-DJs wie Jake the Rapper sind gebucht. Ziel ist eine musikalische Mischung, die sich vom Berliner Minimal-Einheitsbrei abhebt und in der Stadt ihresgleichen sucht.

Zurzeit setzt das Team alles daran, die letzten Auflagen vom Bauamt zu erfüllen, damit endlich auch die zweite Etage eröffnet werden kann. Bis dahin muss die Tanzfläche in der ersten Etage zum Feiern ausreichen. Zenow und Jahnke hoffen, dass es im März, spätestens aber im April so weit sein wird. „Dann werden wir sehen, ob unser Konzept angenommen wird“, sagt Booker Heiko. Der Sprung ist nicht leicht, aber es wäre einer aus dem Stand in die oberste Clubliga.

"My Name is Barbarella", Skalitzer Straße 36, Kreuzberg, geöffnet Donnerstag bis Sonnabend, jeweils von 20 bis 23 Uhr freier Eintritt, ab 23 Uhr fünf Euro, www.mynameisbarbarella.de

Pigalle, Sanderstr. 17, Neukölln, geöffnet Mittwoch bis Sonntag, ab 20 Uhr

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