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1990 fand die Show am Potsdamer Platz statt.

© Davids

Berliner Mauer: Roger Waters - vor fünf Jahren

Vor fünf Jahren bereitete der Pink-Floyd-Gründer die Neuauflage seines „The Wall“-Spektakels von 1990 vor. Was Andreas Conrad darüber schrieb.

Also hat doch wieder jemand die Absicht, eine Mauer zu errichten. Immerhin nicht aus Beton und nur für einen Abend. Zuletzt geschah das am 21. Juli 1990 auf dem Potsdamer Platz, der Abbau der realen Mauer war dort eigens gestoppt worden, so bekam Roger Waters für die Styroporkulisse zu seinem „The Wall“-Rockspektakel sogar noch etwas Authentizität. Am Donnerstag verkündete der frühere Pink-Floyd-Frontmann in London, dass er zurückkommen wolle nach Berlin, um im Rahmen einer Europatournee „The Wall“ zu geben, als runderneuertes Rocktheater am 15. Juni 2011 in der O2-World, mit einer 73 Meter breiten und knapp 11 Meter hohen Mauer quer über die Bühne. Das dürfte selbst frühere DDR-Grenzer beeindrucken: Ihr Original war maximal 3,60 Meter hoch.

Der Vorverkauf beginnt am 11. Juni, ein Jahr vorher, und doch sollten Fans sich den Termin merken: Als Waters im April seine „Wall“-Herbsttournee durch rund 35 US-Städte bekanntgab, waren 500 000 Tickets innerhalb von Stunden weg. Die Tour durch Europa beginnt im März 1011 und führt durch 25 Städte. Anlass ist das 30. Jubiläum des legendären, 40 Millionen Mal verkauften „The Wall“-Doppelalbums, das weitgehend von Waters stammt und an dem er die Aufführungsrechte besitzt. Wegen der aufwendigen Bühnenshow wurde es nur an wenigen Orten aufgeführt, an eine Tournee war nicht zu denken. „Aber die Technik hat sich geändert“, sagt Waters. „Es ist einfacher als 1980.“ Auch kann er heute die erst emporwachsende, dann einstürzende Wand in kompletter Länge illuminieren, mit 15 Projektoren. Wieder gibt es das abstürzende Kampfflugzeug, dazu die bekannten Puppen und aufgeblasenen Objekte, neu gestaltet von Gerald Scarfe, der schon das Album illustrierte und auch bei den diesem folgenden Pink- Floyd-Konzerten und dem Film von Alan Parker 1982 dabei war.

All diese Elemente sollen den erzählerischen Charakter der Show stärken: „Ich liebe es, Geschichten zu erzählen.“ Neu sind hingegen Projektionen von Fotos getöteter Kriegsopfer, wie Waters erzählt. Auf seiner Internetseite habe er die Angehörigen um solche Aufnahmen und biografische Details gebeten, mit großer Resonanz. Vor allem von Menschen, die einen Angehörigen im Irak oder in Afghanistan verloren haben, aber selbst Bilder von Toten aus den beiden Weltkriegen hat man ihm für seine „Mauer der Erinnerung“ geschickt. Und auch ein Bild seines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Vaters will er zeigen.

Das ist für Waters alles andere als ein Versuch, die 30 Jahre alte Rockoper künstlich in die Gegenwart zu holen. „The Wall“ erscheint ihm nach wie vor hochaktuell, und er will sogar den alten Stoff in der neuen Show noch „universeller, politischer“ gestalten, der anfangs doch eine Art „autobiografischer Übung“ gewesen sei. Schon damals zielte sie mehr auf die Mauer im Kopf, nicht auf ein reales Bauwerk. The Wall, das ist die imaginäre Grenze, mit der Pink, der traurige Held der Geschichte, sich mehr und mehr umgibt. Der Vater gefallen, die Mutter maßlos in ihrer Fürsorglichkeit, der Lehrer ein Monster, die Ehefrau ein Luder und der Rest der Welt auch nicht besser – ein Hundeleben, vor dem sich Pink zuletzt in wüste Fantasien von einem faschistoiden Führertum flüchtet, bis über ihn Gericht gehalten, die Mauer niedergerissen wird – ein Schluss ohne Optimismus.

Es sei die Geschichte einer „Rebellion gegen die Angst“, so umriss Waters gestern den Kern der Geschichte, und er sieht sie zugleich als „Allegorie der Art, wie Nationen handeln“. Auch die Figur der Mutter wird ihm da zu einer Metapher, zum „Symbol der Regierung“, einer Art politischer Übermutter, die ihre Kinder bewusst unmündig hält – durch Propaganda, die Aufforderung zum Konsum, so dass wir „wie Schlafwandler durch unser Leben gehen“. All dies gehört für Waters zu den schon immer vorhandenen, in der neuen Show aber betonten Bedeutungsschichten des Stoffs.

Ob diese Botschaft wohl ankommen wird in der O2-World? Und ob sie angekommen ist an an jenem Abend des 21. Juli 1990 auf dem Potsdamer Platz? Zwei Jahre zuvor waren Pink Floyd noch vor dem Reichstag aufgetreten, ohne Waters, der sich 1985 von der Band gelöst hatte und jahrelang mit ihr im Rechtsstreit lag. Doch, er würde gerne wieder mit der Gruppe zusammenspielen, sagte Waters gestern. Indirekte Kontakte hätten aber ergeben: die andere Seite will nicht.

Beim Berliner „The Wall“-Konzert von 1990, deklariert als Benefizveranstaltung zugunsten eines „World War Memorial Fund for Disaster Relief“, traten Stars wie Cyndi Lauper, Joni Mitchell, Bryan Adams, Sinead O’Connor und Van Morrison auf – auch in dieser Besetzung schlug die „The Wall“-Tendenz zum Bombastischen durch. Die Bühne stand nördlich des Leipziger Platzes , mit riesiger Tonanlage, die für die laut Polizeizählung 320 000 Fans nicht reichte. Und dann war gleich beim zweiten Stück der Strom weg, später noch einmal – wie im Traum habe er anfangs das Konzert erlebt, erzählte Waters.

Mit der Tournee ist das „The Wall“-Abenteuer für Roger Waters keineswegs vorbei, seit Jahren bastelt er an einer Broadway-Version herum. Einen guten Autor hat schon gefunden, und nächste Woche will er einen Produzenten treffen. Gut möglich, dass der arme Tropf Pink noch einmal nach Berlin zurückkehrt – als Musicalheld im Theater am Potsdamer Platz.

Vorverkauf ab 11. Juni unter www. eventim.de, Tel. 01805/570000, und bei den bekannten Vorverkaufsstellen. Die Karten kosten voraussichtlich zwischen 55 und 90 Euro

Der Beitrag erscheint in unserer Rubrik "Vor fünf Jahren".

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