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Berlins berühmtester Flohmarkt: Die Schatzsucher vom Mauerpark

Ein Bildband des Fotografen Thomas Henkel zeigt die Besucher von Berlins berühmtestem Flohmarkt – und ihre Einkäufe. So bunt wie die Stadt sind ihre Menschen.

Ob Spielzeugpferd, silbernes Besteck oder DDR-Punk-Platte: Auf dem Flohmarkt am Mauerpark gibt’s kaum etwas, was es nicht gibt. Auch an Menschen ist hier, auf dem alten begrünten Mauerstreifen zwischen Prenzlauer Berg und Wedding, Sonntag für Sonntag alles vertreten, was Berlin so zu bieten hat. Der Fotograf Thomas Henkel hat die Besucher des Flohmarkts fotografiert – mit ihren dort erstandenen Schätzen. Der Tagesspiegel zeigt viele seiner Bilder nun exklusiv.

Ein wahnsinnig interessanter Ort

Ein Jahr lang war der in Bremen geborene Henkel fast jeden Sonntag auf dem Mauerpark zu finden. In einem Zelt, versteckt zwischen einem Taschen- und Vinylstand, war er auf der Suche nach authentischen Fotos. Herausgekommen ist der Bildband „Schatzsucher – Menschen auf dem Mauerpark Flohmarkt Berlin“. Die Idee kam dem 48-Jährigen, als er vor zwei Jahren gemeinsam mit seinem Sohn dessen altes Spielzeug verkaufen wollte. „Es war mein erster Flohmarkt-Besuch am Mauerpark – und ich war begeistert. All diese Menschen aus unterschiedlichen Ecken der Welt“, schwärmt Henkel. „Ein wahnsinnig interessanter Ort.“

Henkel und sein Sohn hatten aber nicht nur Spielzeug zum Verkauf dabei, sondern auch 200 Plakate, die mit vielen Erinnerungen verbunden sind. „Ich habe meine Ausbildung zum Kameramann in West-Berlin gemacht und bin dann im Sommer 1989 nach Baden-Baden zum Südwestfunk gegangen“, erzählt Henkel. „Vier Monate später fiel die Mauer, und ich saß in Baden-Baden fest.“ Der damals 24-Jährige fuhr mit seiner analogen Nikon nach Berlin und machte ein Foto von einem Volkspolizisten der DDR, der durch ein Loch in der Mauer in den amerikanischen Sektor lugte. „Ich habe damals 1000 Plakate drucken lassen mit diesem Bild und sie an den Wochenenden in Berlin verkauft“, sagt Henkel. Die restlichen Plakate bot er zusammen mit dem Spielzeug auf dem Flohmarkt an. „Leider wollte niemand eins kaufen“, sagt Henkel. „Und dann kam mir die Idee mit den Besuchern, die aus der Masse herausstechen. Ich wollte Leute ansprechen, die etwas gekauft hatten, interessant aussahen und diesen Glücksmoment festhalten.“

Henkel hält den Kontakt zu vielen Flohmarktbesuchern

Die 55 Fotos vor einem dunklen Hintergrund zeigen, wie bunt Berlin ist. Da gibt es die Punkerin Steffi aus Pankow mit blauen Haaren, die aus Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, stammt und auf dem Flohmarkt den DDR-Sampler „Die anderen Bands“ erstanden hat. Zehn Euro hat sie für die LP bezahlt, die früher 16,10 Ostmark gekostet hat. Dagegen kaufte Mio einen Kleiderbügel für zwei Euro, der früher in einem Kleiderschrank in Weißensee hing. Die Japanerin war auf vielen Flohmärkten unterwegs und hat in ihrer Heimat eine Ausstellung mit den erstandenen Gegenständen organisiert.

Mit vielen Flohmarktbesuchern hält der Kameramann noch Kontakt, so war er bei einer Vernissage des Berliner Designers Thoas, der komplett in Weiß gekleidet auf dem Cover des Bildbands zu sehen ist und kleine Actionfiguren für seine Kunstprojekte erstanden hat. Oder mit John, gebürtiger New Yorker mit deutschen Eltern, fotografiert mit einer wuchtigen Gleislampe aus der VEB Feinwerktechnik Markkleeberg. Die hängt jetzt in dessen Bar.

Die Kosten für Standmiete und Strom haben die Flohmarkt-Organisatoren Henkel erlassen. „Sonst hätte ich das Projekt nicht realisieren können.“ Er selbst kaufte auf dem Flohmarkt eine Robotron Reiseschreibmaschine Cella S 1001 in Knallorange und einen Stufenlinsenscheinwerfer aus DDR-Produktion.

Ein einziges Foto musste Thomas Henk Henkel im Nachhinein stellen: Der russische Buchautor Wladimir Kaminer, der in der Nähe des Mauerparks im Gleimviertel wohnt und auch das Vorwort des Buches schrieb, erstand auf dem Flohmarkt einst einen silbernen Löffel, mit der russischen Aufschrift: „Moskau ist über jeden Gast froh.“

Über den Mauerpark lässt sich das Sonntag für Sonntag auch sagen.

Thomas Henk Henkel: Schatzsucher – Menschen auf dem Mauerpark-Flohmarkt. Herausgeber: Benjamin Wolbergs, Junius- Verlag. 19,90 Euro.

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