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café in berlin

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Berlins beste Cafés: Kaffee, Satz und Sieg

Der Frühling hat begonnen, es zieht einen wieder unter Leute. Wo man sie trifft? Natürlich im Café.

Wer im Café sitzt, hinterlässt Spuren. Zum Beispiel die hier: „638 + 37,41 + 400 = 1075,41 Euro“. Das ist mathematisch korrekt und steht auf einem Zettel, den ein Gast im Café „Sankt Oberholz“ in der Rosenthaler Straße vergessen hat. Die Betreiber haben sich einen Spaß gemacht und den Zettel eingescannt und ins Internet gestellt. Damit jeder über den Sinn dieser Zahlen rätseln kann. Das machen sie mit allem, was im Café liegen bleibt: mit Sonnenbrillen, Bleistiftskizzen und Barbie-Schlüsselanhängern. Zuletzt gab es nicht sehr viel zum Einscannen. Aber das ändert sich jetzt.

Der Frühling ist angebrochen, unwiderruflich. Man will wieder nach draußen, sich verabreden. Freunde wiedersehen und neue kennenlernen. Nur das Wetter hat den Frühlingsanbruch noch nicht ganz mitbekommen. Also ab ins Café: Wenn man Glück hat, kann man draußen sitzen, ansonsten bleibt man eben hinter der Glasscheibe. Was auch nicht schlimm ist: Berlins Cafészene ist abwechslungsreich und spannend.

Wer auf Nummer sicher gehen will, geht nach Prenzlauer Berg. Am besten gleich in die Kastanienallee oder zum Helmholtzplatz. Man kann ja geteilter Meinung sein über den lebendigen Stadtteil und seine trendbewussten Bewohner. Aber mit Kaffee kennen die sich aus! Besonders mit Milchkaffee. Weil der Konkurrenzkampf unter den Läden so groß ist, traut sich niemand, seinen Gästen bittere Brühe zu servieren. Die Betreiber des „Wohnzimmers“ sind vor Jahren extra quer durch Italien gereist, um die richtige Rösterei für ihre Bohnen ausfindig zu machen. Das „Kauf Dich glücklich“ versucht, sich mit immens lockeren Milchschaumbergen und frischen Waffeln von den anderen Cafés abzusetzen. Und das „An einem Sonntag im August“ – am nördlichen Ende der Kastanienallee – ist so wie sein Name: Wer dort in den gemütlichen Sofas versinkt, glaubt sofort, es sei Wochenende.

Aber auch anderswo gibt es originelle Konzepte: Das Café mit den meisten Hirschgeweihen liegt in Schöneberg. „Schneerot“ heißt es, die Gäste werden beim Kaffeeschlürfen mit Loungemusik unterhalten und mit Diaprojektoren angestrahlt. Wer nach seinem Latte noch nicht genug Koffein intus hat, steigt auf Eistee mit Ginseng um. Der wird extra aus den Staaten importiert, weil er so lecker ist und angeblich auch gesund.

Manche Cafés punkten allein schon wegen ihrer Geschichte. Das „Schwarze Café“ in der Kantstraße ist eine Legende. Hier haben sich in den 80ern Autonome und Hausbesetzer getroffen. Marianne Rosenberg hat gerade ein Lied über den Ort geschrieben – und über die Nächte, die sie dort mit Rio Reiser und dem Rest der Ton Steine Scherben verbrachte. Der Laden hat heute noch durchgehend offen, so kann es passieren, dass man morgens Café trinkt und am Nebentisch die Schnapsleichen der letzten Nacht hängen. Wer draußen sitzen will, geht ins „Café am Engelbecken“ in Kreuzberg. Die Terrasse dort bekommt wegen der günstigen Lage von morgens bis abends Sonne ab – wenn die denn scheint. Nach der Sanierung ist das Becken übrigens sauber wie nie. Leider sind jetzt auch die Blesshühner und die neunköpfige Schwanenfamilie weg. Ein Besuch lohnt sich trotzdem. Und es ist herrlich ruhig, obwohl mitten in der Stadt.

Mehr Ruhe gibt es nur auf dem Friedhof. Auch da kann man Kaffee trinken. Bernd Boßmann betreibt das „Finovo“ auf dem Sankt-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg – dort, wo die Gebrüder Grimm und Kaufmann Bolle begraben sind. „Fin“ steht für Ende und „novo“ für neu. Soll heißen: Jedem Ende folgt ein Anfang. So lebensfroh ist auch das Café gestaltet. Bernd Boßmann will mit seinem Laden schließlich helfen, „die Bestie Tod zu bändigen“, sagt er. Manche kennen Boßmann vielleicht von seinen Travestieauftritten. Da nennt er sich aber Ichgola Androgyn.

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