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Stadtleben: Bonbons für die Fans

Die Berliner Symphoniker eröffnen heute das Citadel Music Festival in Spandau Das Publikum kann dabei ein kleines Wunder erleben

Wunder gibt es immer wieder. Ausgerechnet ein Orchester, dem der Senat vor ein paar Jahren rabiat die Landeszuschüsse strich, eröffnet heute das Freiluftfestival auf der Zitadelle Spandau. Wie die Berliner Symphoniker das schaffen? Mit viel Idealismus, dem Glauben an ihr Orchester und an die Idee, bezahlbare Konzerte und musikpädagogische Programme für Grund- und Hauptschüler zu machen, meint Orchesterchef Alfred Christmann. Und „weil wir unser Geld im Ausland verdienen“, ergänzt Intendant Jochen Thärichen.

Seit 40 Jahren gehört der Name Berliner Symphoniker zur Stadt wie die grüne Kresse zu ihrem Markenzeichen, dem bewachsenen Violinschlüssel. Lange bevor andere Orchester das Wort „Education“ buchstabieren lernten, gingen die Symphoniker regelmäßig mit ihren Instrumenten in Grundschulen. Oder sie verschafften Kindern bei „Konzerten für die ganze Familie“ erste Aha-Erlebnisse mit Brahms, Beethoven oder Bruckner.

Acht sind für die nächste Saison im Konzerthaus und in der Philharmonie geplant, die Finanzierung steht aber noch nicht. Trägerverein, Musiker und Förderer kämpfen weiter um Senatsknete. „In Argentinien haben wir in Buenos Aires gerade als Berliner Kulturbotschafter vor 60 000 Menschen gespielt“, sagt Intendant Thärichen und zeigt das Grußwort des Regierenden Bürgermeisters. „Und zurück in der Stadt, schlagen sich die Musiker wieder mit einzelnen Konzerten, Unterrichtsjobs oder Arbeitslosengeld durch.“ Er selbst arbeitet seit der Abwicklung 2004 ehrenamtlich und koordiniert die nächsten Orchesterreisen nach Japan, China und Italien.

Egal ob China, Kloster Chorin, wo die Symphoniker Sonntag beim Musiksommer auftreten, oder Zitadelle Spandau – geprobt wird in Wilmersdorf im großzügigen Gemeindesaal unter der Hohenzollernkirche. Hier haben 1945 die Namensvetter Berliner Philharmoniker ihre ersten Nachkriegskonzerte gegeben. Im Vorraum stehen Streuselkuchen und Kaffee, drinnen ertönen Trommelwirbel und Streichertutti.

Chefdirigent Lior Shambadal schwingt den Taktstock und fordert mehr Tempo: „Die Sechzehntelpause war mindestens ein Achtel lang“, ruft er tadelnd Richtung Bläser. „Das Ganze nochmal von vorn!“ Der temperamentvolle Shambadal ist seit 1997 dabei. Warum er den Symphonikern die Treue hält? Weil es ein gutes Orchester sei. „40 bis 50 Auslandskonzerte pro Jahr, die sprechen für sich. Und Japaner kennen sich aus mit Musik!“ Auch in Berlin kämen viele Zuhörer allein wegen des Orchesterklangs. „Den versuche ich weich zu machen, um der Brutalität des Alltags was entgegenzusetzen.“ Das Schicksal seines Orchesters schließt er da sichtlich mit ein.

Solo-Cellistin Susanne Busching-Brero und ihr Kollege Kim Witt, der die erste Oboe spielt, sind seit 1984 Symphoniker. Auf der Zitadelle Spandau haben sie vor zehn Jahren schon mal „Carmina Burana“ gespielt. Da hätten Windböen immer die Notenpulte umgeworfen. Aber die Atmosphäre sei sehr schön. Das heutige Programm ist ein fluffiges Potpourri aus Opernmelodien von Rigoletto bis Carmen. Die Cellistin freut sich schon: „Das sind lauter Bonbons fürs Publikum.“ Projektorchester nennen sie sich jetzt, sagt Kim Witt. Das heißt, dass der etwaige Überschuss einer Konzertreise das nächste Abonnementkonzert finanziert. „Bislang ging es gut“, sagt er, und es klingt pragmatisch und hoffnungsvoll. Beide glauben an die Zukunft der Symphoniker. „Das Orchester ist unsere musikalische Heimat. Die wirft man nicht einfach weg.“ Ein hart erkämpftes Wunder ist es also, das „Sommernachtsspektakel“ der Symphoniker. Gunda Bartels

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