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BVG-Streik: Ersatzverkehr mit Rollstuhl

Unter dem Ausstand leiden Ärzte, Pfleger, Patienten und auch viele Händler.

Der Anrufbeantworter von Caren Ihle-Klamka warnt: Am Montag könnte die Moabiter Hausarztpraxis geschlossen bleiben. Hängt ganz von der Lokführergewerkschaft ab und davon, wer das Auto bekommt – ihre Arzthelferin aus Glienicke oder deren Mann.

Der BVG-Streik hat die medizinische Versorgung stark erschwert. Ihle-Klamka öffnete ihre Praxis zwei Stunden später, weil die Helferinnen sich noch durch den Verkehr kämpften. Ein Kreuzberger Pflegedienstchef berichtet von einem Rollstuhlfahrer, der vier Kilometer zum Arzt geschoben werden musste, weil der Fahrdienst im Stau steckte. „Es gibt erhebliche Verzögerungen“, sagt Marcella Kaufmann, Vize-Pflegedienstleiterin der AWO-Sozialstation Prenzlauer Berg. Pflegekräfte, die sonst mit der BVG zu Patienten fahren, müssten weit laufen. „Das ist schon extrem belastend.“ Eine Mitarbeiterin aus Marienfelde ließ sich aus psychischen Gründen krankschreiben, da sie nicht wusste, wie sie zur Arbeit kommen soll. Auch für Montag liegen Krankschreibungen vor. Wer durchhält, aber kein Auto hat, wird von der AWO abgeholt.

Hausärztin Ihle-Klamka schrieb einen offenen Brief an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und den Senat: Die „unhaltbaren Zustände“ müssten schnell beendet werden. Sie kritisiert vor allem die Gewerkschaften. KV-Sprecherin Annette Kurth sagt dazu, man habe auf den Tarifkonflikt keinen Einfluss. Ähnliche Beschwerden von Ärzten gebe es bisher nicht – bis auf die Tatsache, dass einige Patienten ihre Termine storniert hätten. Dadurch gab es unerwartete Pausen und die Aussicht auf weniger Honorar.

Betroffen sind auch viele Händler, vor allem an den U-Bahnknotenpunkten. Gerd Kooske von Karstadt Müllerstraße nennt den Kundenrückgang „sehr spürbar“. Die Mitarbeiter hätten die Streikfront bislang durch Fahrgemeinschaften und die etwa 800 Meter entfernte S-Bahnstation Wedding umgangen. Das KaDeWe kann sich vorerst mit kaufkräftigen Ersatzkunden von der ITB trösten. „Wir haben einen Shuttle-Service zum Messegelände. Dadurch pendelt sich die Kundenfrequenz wieder ein“, heißt es.

Die Gropius-Passagen lassen alle 15 Minuten einen Zubringerbus am S-Bahnhof Neukölln halten. Trotzdem kommen laut Centermanagement 20 Prozent weniger Besucher. Einen 30-prozentigen Kundenrückgang beklagt Karstadt am Hermannplatz. Sogar das Kulturkaufhaus Dussmann muss auf fünf bis zehn Prozent seiner Kunden verzichten, obwohl es am S- Bahnhof Friedrichstraße liegt. Am Sonntag öffnet es zur ITB von 13 bis 20 Uhr; dies hatte man bereits geplant, als der Streik noch nicht absehbar war. loy/CD

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