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© dpa

Clubkultur: Die Welt ist eine Scheibe

Sechs Wochen reiste Hans Nieswandt durch Südostasien – auf der Suche nach begabten DJs Die fand er in Kuala Lumpur, Hanoi und Jakarta. Morgen Abend legen sie in Friedrichshain auf

Fahr nach Südostasien, such lokale Elektronik-Künstler und bring sie mit deutschen Kollegen in Kontakt – ungefähr so lautete der Auftrag, den Deutschlands DJ-Intellektueller Hans Nieswandt vor anderthalb Jahren vom Goethe-Institut erhielt. Sechs Wochen lang war der Plattenaufleger, Journalist und Buchautor unterwegs, reiste nach Thailand, Vietnam, Malaysia und Singapur, verbrachte Zeit in Australien, Neuseeland, Indonesien und auf den Philippinen. Die lokalen Goethe-Institute vermittelten Kontakte, organisierten Essen, Hans Nieswandt gab DJ-Workshops, legte in Clubs auf und traf so potentielle Kandidaten. Er suchte nach Künstlern, deren Soundästhetik der „qualitativ hochwertigen deutschen Elektronik“ ähnelt, sagt Nieswandt. Mit „folkloristischen Annäherungen“ oder Weltmusik habe das nichts zu tun.

Insgesamt acht Künstler konnte der 44-Jährige so für das Projekt gewinnen, jeder bekam ein deutsches Pendant zur Seite gestellt – darunter so bekannte Namen wie Console und Turner. Die Paare gingen zusammen ins Studio und nahmen eine CD auf: die „Asia-Pazifik-Platte“. Morgen Abend wird ihre Veröffentlichung in der Berghain-Kantine in Friedrichshain gefeiert. Sieben der internationalen Künstler werden live auflegen.

Für den malaiischen DJ Ray Soo ist es der erste Auftritt in Berlin. Seit mehr als 15 Jahren ist er ein großer Fan deutscher elektronischer Musik. „Er weiß teilweise mehr über bestimmte deutsche Künstler als ich“, sagt Hans Nieswandt. In Kuala Lumpur ist Ray Soo zwar Stamm-DJ im angesehenen Zouk-Club, müsse dort aber ständig für seinen minimalen Sound kämpfen, erzählt Nieswandt. Spielen könne er nur auf dem Neben-Floor. Überhaupt seien alle Clubs dort riesige, überteuerte Diskotheken, und der Mainfloor sei stets für englischen Trance und Kommerz-House reserviert. „Das ist alles so grausam“, sagt Nieswandt. Alternative Musik habe da keine Chance.

Das außergewöhnlichste Erlebnis hatte Nieswandt in einem Großclub in Hanoi. Das Publikum bestand „nur aus Männern über vierzig mit gestreiften Hemden, Goldkettchen und glasigen Augen“. Dazu gab es „superschnellen Hongkong-Techno, es war ein Höllenlärm“. Nieswandt begann sein House-Set mit großen Zweifeln – „aber es ging sogar“ –, bis ein Mann ihm eine Flasche in den Rücken schmiss und ein Handgemenge ausbrach. Da griff Nieswandt seine Platten und flüchtete aus dem Club. „Sehr lehrreich“ sei es gewesen, die „kulturellen Unterschiede der Clubkultur“ zu erleben.

Mit dieser Szene hat der junge Vietnamese Tri Minh nichts zu tun. Trotzdem gilt er als der erste echte Elektroniker des Landes. Er ist ausgebildeter Jazzmusiker und produziert elektronischen Ambient und Pop. In Berlin wird er eine Band mit traditionellen Instrumenten dabei haben.

Auch in den Clubs Jakartas ist Nieswandt nicht fündig geworden – in der lebendigen Kunstszene der indonesischen Hauptstadt aber schon. Dort traf er Henry Foundation, der seine Musik als eine Art Konzeptkunst betreibt, so Nieswandt. Outfit, Musik und Grafik gehören zusammen. „Sehr cool, was sich da abspielt“, sagt er und schwärmt vom Studio, in dem der junge Indonesier flotten Synthie-Pop produziert: ein fensterloser Raum über einem trashigen, alternativen Künstler-Atelier.

In Neuseeland und Australien bewegte sich Nieswandt auf bekanntem Terrain. Da gab es kleine Clubs mit alternativem Publikum, Raum für alternative Klänge und Künstler, die man auch in Europa kennt. So wie Jamie Lloyd, der mit dem Laptop Musik macht und dazu singt. Einen „modernen Mac-Book-Bohemier“ nennt Nieswandt ihn und findet die Verbindung des DJ-Aspekts mit Singer-Songwriter-Elementen auch optisch sehr gelungen. Nicht so langweilig wie die meisten Laptop-Musiker.

Die Party beginnt morgen um 21 Uhr in der Berghain-Kantine, Eingang über Rüdersdorfer Str. 70, 5 Euro Eintritt ab 24 Uhr, davor frei, Infos:www.killekill.com.

Katja Hanke

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