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Bedrohtes Biotop. Die Club- und Musikszene ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.

© ddp

Clubs und Labels: Hilferufe von der Tanzfläche

Die Kampagne „Musik 2020 Berlin“ soll Clubs und Labels endlich eine Lobby geben und bei Politikern um Unterstützung werben.

Es begann mit einem von Investoren vernachlässigten Grundstück an der Spree. Und endete Jahre später mit der Schließung eines der populärsten Clubs der Stadt, der Bar 25, die einem Neubau Platz machen musste. Dazwischen stieg der Techno-Strandclub mit eigenem Musik-Label und Freilichtkino zu einem Knotenpunkt des Berliner Nachtlebens auf und wurde auch im Ausland bekannt.

Als Transport-Unternehmen des oft beschworenen „Berlin-Feelings“ konnte die Bar 25 nicht gerettet werden, „weil es keine entsprechende Lobbyarbeit gibt und unsere Interessen nicht angemessen vertreten werden“, sagt Olaf Kretschmer von der Berlin Music Commission. Damit soll nun Schluss sein. Zusammen mit den Interessenverbänden Club Commission und Label Commission wurde die Kampagne „Musik 2020 Berlin“ ins Leben gerufen. Die zentrale Botschaft lautet: Populäre Musik ist der traditionell staatlich gepamperten Hochkultur ebenbürtig und damit schützens- und förderungswürdig.

Der Zeitpunkt der Initiative ist kein Zufall, im Wahljahr sollen die Berliner Abgeordneten sensibilisiert und informiert werden. Klagen aus der Musik-Branche, die ihre Interessen von der Politik nicht genügend vertreten sieht, sind mittlerweile so alltäglich wie die Beteuerungen von Politikern, wie sehr sie die junge und hippe Kreativwirtschaft schätzen. Dabei gibt es durchaus Zahlen, um deren ökonomische Bedeutung zu belegen. 13 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze hat die Musikwirtschaft nach eigenen Angaben in Berlin geschaffen, eine Milliarde Euro setzt sie pro Jahr um, und auch ein Teil der 20 Millionen Übernachtungen in Berlin im Jahr 2010 geht auf ihr Konto, schließlich kommen junge Leute oftmals schlichtweg „zum Feiern“ in die Stadt. Es ist jedoch auch der kaum messbare „Coolness-Faktor“, den die Klubs, Labels und Musikschaffende in die Stadt bringen und der nun nicht beschworen, sondern auch durch politische Maßnahmen erhalten bleiben soll. Ob damit nicht das Ungeregelte aus dem Partybetrieb verschwindet, das Berlin so berühmt gemacht hat? „Nein. Wir müssen politisieren, unsere Gedanken hinein in die Parteien und Fraktionen tragen“, sagt Dr. Motte, der sich wie viele andere Künstler für die Kampagne einsetzt. Insgesamt 400 Institutionen, Betreiber und Musiker unterstützen die Kampagne.

Die Schwierigkeiten der Musikwirtschaft, auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen, lagen bisher, abgesehen vom niedrigen Organisationsgrad, in ihrer Struktur: Viele kleine Clubs und Labels haben schlichtweg nicht die Mittel, um sich Gehör zu verschaffen. „Einzelkämpfer zusammenführen, Freiräume schaffen, den Dialog suchen“, gibt Lutz Leichsenring von der Kampagne „Musik 2020“ als deren Ziele aus. Sogar von einem „Masterplan“ ist die Rede: Durch bessere Planung und Struktur könnten neue Clubs jene ersetzen, die in den letzten Jahren schließen oder umziehen mussten. Damit das Gespenst mit dem Namen „Clubsterben“ demnächst keine Angst mehr verbreiten kann.

Als eines der Instrumente, mit denen der zunehmenden Marginalisierung entgegengetreten werden soll, schlägt die Initiative vor, zehn Prozent der von der Musikbranche erwirtschafteten Landessteuereinnahmen wieder in diese zu reinvestieren – das wären etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Auch sollen von der Stadt Flächen ausgewiesen werden, auf denen sich beispielsweise Clubs ansiedeln können. Dies hätte auch der Bar 25 helfen können – die sich aber derweil selbst hilft und gegenüber dem alten Standort als „Kater Holzig“ neu eröffnet hat. Prekär bleibt ihre Lage trotzdem: Der Mietvertrag gilt nur für zwei Jahre.

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