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Draußen vor der Clubtür. Tagsüber ist es oft kaum vorstellbar, dass hinter toten Eingängen nachts das Leben tobt. Durch die abgebildete Tür geht es in den Yaam, Stralauer Platz 35 in Friedrichshain.

© Marcus Werner

Clubtüren: Pforten zu einer anderen Welt

Die Party ist aus, der DJ weg, die schwere Tür fällt hinter ihnen ins Schloss. Im Licht des Tages: Ein Blogger hat die Türen bekannter Clubs fotografiert.

Von außen sind Berliner Clubs nichtssagende Orte, selbst die besten unter ihnen. An einem beliebigen Nachmittag steht man etwa am Berghain vor einer verschlossenen Stahltür und begegnet keiner Menschenseele. Nur die Zäune vor dem Eingang und Graffiti an den Wänden lassen ahnen, dass dieser Ort überhaupt Anziehungskraft auf Menschen ausübt und sich hier mehr verbirgt als nur die verrosteten Öfen eines verfallenen Heizkraftwerks.

„Früh-aus-dem-Club-Realität“ nennt der Berliner Blogger Marcus Werner diese Szenerie. Der 31-Jährige hat die Friedhofsruhe vor 15 bekannten Clubs fotografiert. Hätte er nicht ebenso gut Arbeitsämter bei Nacht ablichten können? Das fragt man sich unwillkürlich. Dort stehen Menschen tagsüber Schlange, die dann am Abend wieder verschwunden sind – ein paar vielleicht sogar in einem Club. Es gibt in Berlin mehr als 300 davon.

Andere gehen daran achtlos vorüber. Werner dagegen interessiert die Unscheinbarkeit seiner Sujets, die doch ein Geheimnis zu bergen scheinen. Zumindest einen Schatz aus Erinnerungen an vergangene Nächte – und zugleich eine Verheißung: „Vielleicht wartet hier die Party meines Lebens.“ Alles kann hier passieren, in jeder Nacht neu.

Die Bilder werden schnell zu Geschichte. „Diese Bar ist tot“, hat jemand an das Eingangstor der Bar 25 geschrieben. Lange her ist das nicht. Auch in der Maria am Ostbahnhof ist offiziell die letzte Party gefeiert worden, dort soll bald ein Hotel entstehen. Und der Bang Bang Club heißt jetzt Levee.

Marcus Werner ist nicht der erste Berliner Clubtüren-Fotograf. Nina Fischer und Maroan el Sani lassen auf ihren Aufnahmen die neunziger Jahre wieder lebendig werden. Eine Zeit, in der man selbst Freitagnacht vor verschlossenen Türen stehen konnte, weil es den Laden nicht mehr gab oder die Betreiber gerade keine Lust hatten. In der man in einem Hinterhof stand und lauschte, ob hinter einer Tür Bässe wummerten. Man sprang auf Verdacht in Kellerluken und holte sich an der niedrigen Decke beim Tanzen Beulen.

Das Eschloraque Rümschrümp krachte 1998 schon fast vom Anschauen zusammen, St. Kilda Tripstril war als Kartoffelgroßhandlung ausgeschildert. Vor dem Eingang des Berlintokyo war entweder eine Baustelle oder ein Messi-Hinterhof. Viele Clubs blieben damals namenlos, wollten keinen Behördenbesuch. Wer sie nicht kannte, sollte woanders feiern.

Hier geht es in den RAW-Tempel, Revaler Straße 99, in Friedrichshain.
Hier geht es in den RAW-Tempel, Revaler Straße 99, in Friedrichshain.

© Marcus Werner

Clubtüren am Nachmittag sind unbekannte Orte, besonders für Party-Touristen. Sie fliegen zum Wochenende nach Berlin und reihen sich vor den bekanntesten Adressen für elektronische Musik in die Schlange ein. Sie sind im Dunkeln gekommen und gehen im Hellen. Die Party ist aus, der DJ weg, die schwere Tür fällt hinter ihnen ins Schloss. Sie drehen sich hilflos herum, stolpern durch Scherben und zweifelhafte Pfützen, geblendet von der großen Diskokugel am Himmel. Mein Gott, wo bin ich hier?

Weitere Bilder auf dem Blog www.findingberlin.com

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