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© Kitty Kleist-Heinrich

Curth Flatow: Der König des Berliner Boulevards wird 90

Curth Flatow, König des Berliner Boulevards, wird 90 Jahre alt Sein Pointentest: „Wenn die Sekretärin lacht, lacht auch das Publikum.“

Woran lässt sich ablesen, ob einer was richtig gemacht hat im Leben? Daran, dass er seit mehr als 40 Jahren in einem hübsch mit Antiquitäten eingerichteten Haus in Dahlem wohnt? Oder daran, dass – kaum ist man da – das Telefon klingelt und Wolfgang „Traumschiff“ Rademann anruft, weil auch er zum Geburtstag kommen möchte? Vielleicht. Viel eindrucksvoller sind jedoch die hellblauen, kecken Augen des zerbrechlichen alten Mannes. Und dass man nach ein paar Gesprächen feststellt, dass es unzählige Menschen gibt, die ihm sehr viel verdanken. Vergnügte Stunden im Theater, am Radio, im Kabarett, vor dem Fernseher oder sogar ganze Karrieren.

Curth Flatow, Berlins erfolgreichster Boulevardautor, dessen Stücke auch international so verbreitet sind, dass nur noch Volker Ludwig vom Grips-Theater mithalten kann, wird morgen 90 Jahre alt. Am Sonntag um 11 Uhr feiert ihn das Theater am Kurfürstendamm mit einer Gala. Freunde und Kollegen wie Dagmar Biener, Edith Hancke, Wolfgang Spier und Wolfgang Völz lesen und spielen Flatow.

„Ich hab’ ein bisschen Angst“, sagt das Geburtstagskind, das zugleich Ehrengast des zweitägigen teil privaten, teil offiziellen Trubels ist, und schaut auf seine Beine, die nicht mehr ganz so wollen wie der Kopf. Zack, ist der Moment des Zögerns vorbei und der in der Unterhaltungsbranche als Pointenprofi gerühmte Flatow landet einen Lacher. Zwei Frauen habe er gehabt, erzählt er, und keine habe bisher seinen ewigen Geburtstagswunsch nach einem Schlagzeug erfüllt. Aus Selbstschutz, na klar. „Bald geh’ ich los und kauf’ mir selber eins“, sagt er.

Zeit zumindest hätte er, denn das tägliche Schreiben hat er inzwischen aufgegeben. Dem Volk aufs Maul schauen, Notizen machen und dann diktieren – so hat der gebürtige Charlottenburger, der, bevor er zum Kabarett und zum Theater kam, im alten Modeviertel in der Berliner Konfektion gelernt hat, stets gearbeitet. „Das war mein erster Test. Wenn die Sekretärin lacht, lacht auch das Publikum.“ Herausgekommen sind an die 20 Theaterstücke, 450 Lieder, 30 Filme, fünf Kabarett-Revuen, 100 Radiosendungen, Bücher und unzählige Fernsehshows für Peter Alexander oder Harald Juhnke.

Seine Fernsehserie „Ich heirate eine Familie“ mit Peter Weck und Herbert Herrmann, der auch auf der Bühne viel Flatow gespielt und inszeniert hat, erreichte in den Achtzigern sagenhafte 46 Prozent Einschaltquote. Herrmann ist einer von denen, die Flatow was verdanken. „Gute Rollen und gute Geschichten, die mehr sind als eine Aneinanderreihung von Pointen.“ Schauspieler wie Georg Thomalla, Inge Meysel, Rudolf Platte, Gerd Fröbe oder O. E. Hasse baten den die Schauspieler so wie das Theater liebenden Flatow um Rollen. „Alle sehnten sich nach seinen Stücken“, sagt Edith Hancke, die ihn seit ihrer Kabarettzeit Anfang der Fünfziger kennt. „Er hat Mutterwitz drauf und schreibt urkomische, hintersinnige Dialoge.“

Dramatikerkollege Horst Pillau geht noch weiter. Er hat mit Curth Flatow den Dauerbrenner „Das Fenster zum Flur“ geschrieben. 1960 wurde das zu den erfolgreichsten Bühnenstücken der deutschen Nachkriegsgeschichte gehörende Volksstück mit Inge Meysel als resoluter Berliner Portiersfrau im Hebbel-Theater uraufgeführt. Flatow habe ihn, den Kabarettkollegen, zum Mitschreiben aufgefordert, erzählt Pillau: „Ich war schüchtern und hab’ mir nichts zugetraut. Ohne ihn hätte ich nie ein Theaterstück geschrieben.“ Furchtbar nerven konnte er aber auch, der wortverliebte Perfektionist. „Jeder Punkt, jedes Komma musste sitzen“, sagen Hancke und Herrmann und seufzen.

„Ich hab’ mich viel zu oft verrückt gemacht“, steht Curth Flatow da inzwischen drüber. Sein Lieblingsthema nennt er bündig : „Liebe“. Die Motivation als Theatermacher? „Den Leute Freude machen. Sie zeigen, wie sie sind.“ Kein Zweifel, Curth Flatow hat im Leben ein paar Sachen richtig gemacht. Vor 30 Jahren seine zweite Frau Brigitte, Tänzerin an der Deutschen Oper, und ihre zwei Kinder zu heiraten, gehört dazu. „15 Jahre habe ich intensiv nach ihr gesucht“, ulkt er, „war eine schöne Zeit“. Seine Heimat Berlin zu lieben. Sein Herz, das krank ist, seit er fünf ist, immer neu zu verschenken an Menschen, Künstler, Tiere. Und seine Altersvergesslichkeit – das „namenlose Elend“ – mit Humor und Blicken auf die Theaterplakate an der Wand zu überspielen.

Türenklappen, im Flur fängt’s an zu poltern. Oh, strahlt der alte Mann, „jetzt kommt meine Altersliebe“. „Hallo, Opa!“, ruft Marlon, fast vier. „Hallo, Enkel“, tönt es zurück.

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