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Datenschutz: Kinskis Krankenakte soll für immer zu bleiben

Das Berliner Landesarchiv hatte der Öffentlichkeit die Einsicht in Klaus Kinskis psychiatrische Behandlungsunterlagen gewährt. Dagegen hatte der Sohn des Schauspielers geklagt. Jetzt wird über die Klage verhandelt.

Das Jahr 1950 war für Klaus Kinski ein schwieriges. Seine Filmkarriere hatte gerade erst begonnen, zwei Jahre war es her, dass er in Eugen Yorks „Morituri“ seine erste Filmrolle übernahm, einen geflohenen KZ-Insassen. Ein neues Angebot war nicht in Sicht, ebenso wenig wie Glück im Privatleben. Die Liebe zu einer 25 Jahre älteren Ärztin blieb unerwidert, was den damals 24-Jährigen zunächst fast in den Selbstmord trieb und ihn kurz darauf handgreiflich gegenüber der Frau werden ließ. Drei Tage lang befand sich der Schauspieler wegen dieses Vorfalls in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in psychiatrischer Behandlung. Von Kinskis Aufenthalt in der Psychiatrie erfuhr die Öffentlichkeit erst im vergangenen Jahr, und die Frage, ob sie je davon hätte erfahren dürfen, beschäftigt heute das Berliner Verwaltungsgericht. Kläger ist Sohn Nikolai, der vom Berliner Landesarchiv die Verschlusshaltung der Behandlungsakte fordert. Leiter Uwe Schaper hatte sie vergangenen Sommer öffentlich zugänglich gemacht, nachdem das Archiv die Unterlagen vom Krankenhauskonzern Vivantes erhalten hatte, zusammen mit 100 000 weiteren historischen Krankenakten der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, die vor allem aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen.

Bereits Anfang März stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den Leiter des Landesarchivs, Uwe Schaper, ein. In der Begründung hieß es, dass die Veröffentlichung der Kinski-Akte nicht rechtens war, Schaper jedoch einem „Verbotsirrtum“ erlegen war. Er hatte sich auf eine Auskunft des Landesdatenschützers Alexander Dix verlassen, der die Offenlegung mit dem Recht auf Informationsfreiheit gerechtfertigt hatte. Ihm zufolge sei grundsätzlich jeder befugt, „Archivgut nach Ablauf bestimmter Schutzfristen zu nutzen“. Dix argumentierte weiter, dass die Veröffentlichung von Krankenakten von „Personen der Zeitgeschichte“ zehn Jahre nach deren Tod möglich sei; Kinski starb 1991.

Die Berliner Ärztekammer widerspricht dieser Auffassung. Vizepräsident Elmar Wille erklärte, dass Patientendaten durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch über den Tod hinaus geschützt sind. Das Landesarchivgesetz äußere sich dazu eindeutig: Demnach sei die Nutzung zu versagen oder einzuschränken, soweit Berufs- oder besondere Amtsgeheimnisse oder andere Rechtsvorschriften über Geheimhaltung verletzt worden sind. Darunter falle auch die ärztliche Schweigepflicht. „Was dort passiert ist, war mit dem Landesarchivgesetz nicht vereinbar“, sagt Sascha Rudat, Pressesprecher der Ärztekammer. Fragwürdig sei, wie das Landesarchiv mit den übergebenen Unterlagen umgegangen ist: Grundsätzlich hätten die Akten anonymisiert werden müssen, bevor sie öffentlich zugänglich gemacht werden, etwa für Forschungszwecke. „Der Faktor Prominenz ist für uns unerheblich“, sagt Rudat, „hier geht es um hochsensible Fälle. Personenbezogene Akten waren komplett einzusehen, das hätte nicht sein dürfen.“

Die Krankenakte ist vorläufig unter Verschluss, nachdem die Ermittlungen gegen den Archiv-Leiter Uwe Schaper eingestellt worden waren. Nikolai Kinski erklärte daraufhin froh zu sein, dass sich sein Vater „wie jeder andere auch auf die ärztliche Schweigepflicht verlassen“ dürfe. In der heutigen Verhandlung will er erreichen, dass die Unterlagen auch weiterhin nicht für Dritte einsehbar sind.

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