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Stadtleben: Der Ehre Wert

Dinoknochen, Konzertstühle, Hochdruckgebiete: Patenschaften gibt es in Berlin für die kuriosesten Dinge. Und die Nachfrage ist groß

Das billigste Säugetier ist die Waldspitzmaus. Die kostet 40 Euro und trägt das Namensschild an einer Schnur um den ausgestopften Leib gebunden. Der Kugelfisch in Alkohollösung ist etwas teurer, das Geweih einer exotischen Hirschart liegt bei 2000 Euro. Und die großen Dinosaurier sind so wertvoll, von denen kann man sich als Normalverdiener nur einzelne Knochen leisten: Soeben wurde der Unterkiefer des Brachiosaurus nachgefragt.

Der Geldgeber darf den Kiefer aber nicht mit nach Hause nehmen, er ist bloß Pate geworden im wiedereröffneten Naturkundemuseum. Das bedeutet: Auf Wunsch wird in der Nähe des Exponats ein Schild mit seinem Namen angebracht. In Berlin gibt es jede Menge Angebote für ungewöhnliche Patenschaften. Die geben einem nicht nur ein gutes Gefühl, weil man Verantwortung übernimmt, sie haben auch alle ihre eigenen, ganz praktischen Vorteile. Wer Pate im Naturkundemuseum wird, bekommt zweimal pro Jahr die Möglichkeit, die abgeschlossenen Sammlungen der Räume zu besichtigen, die sonst nur Wissenschaftlern zugänglich sind. Wer beim BUND die Patenschaft für einen Berliner Baum übernimmt, darf eigenhändig einpflanzen und sich dabei fotografieren lassen. Und wer Pate wird für ein Auto des Vereins „Berliner Tafel“, damit der Lebensmittel zu Bedürftigen transportieren kann, darf sein Lebensmotto an die Außenwand des Wagens sprühen. Oder was ihm sonst so einfällt.

Auch das Berliner Konzerthaus vergibt Patenschaften. Für die Stühle im Großen Saal. Gerade wird der hundertste Freiwillige gesucht, je nach Platz kostet die Patenschaft einmalig zwischen 750 und 2000 Euro. Für das Geld werden nicht nur die Sitze instant gehalten, sondern auch Instrumente und Jugendarbeit finanziert. Als Dank trägt der ausgewählte Platz für mindestens fünf Jahre eine Patenplakette mit dem Namen. Und um den Stuhl gebührend einzusitzen, wird jeder neue Pate zu einem Konzert eingeladen – da darf er dann auch ein Erinnerungsfoto von sich und seinem Stuhl mit nach Hause nehmen. Für weitere Besuche muss er zahlen, „aber ich setze Himmel und Erde in Bewegung, damit der Stuhlpate auf seinem Platz sitzen kann“, sagt Christine Schröter von der Geschäftstelle. Die Stühle der linken Seite sind übrigens besonders beliebt: Hier gehen der Chefdirigent sowie die Intendanten nach den Konzerten ab.

Wer gerne über sich und das Wetter redet, kann sich beim Institut für Meteorologie der FU Berlin melden und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Seit 1954 vergibt das Institut die offiziellen Namen für Hoch- und Tiefdruckgebiete, die das Wetter in Europa bestimmen. Die Hochs sind beliebter und seltener, im Durchschnitt gibt es 60 pro Jahr. Deswegen sind sie mit 299 Euro auch 100 Euro teurer als die Tiefs, von denen gibt es jährlich immerhin 150. Ab dem 1. Oktober kann man sich für die zu erwartenden Wetterumschwünge des kommenden Jahres anmelden. 2008 tragen alle Hochdruckgebiete männliche und die Tiefdruckgebiete weibliche Vornamen, Interessierte sollten sich aber beeilen: Meist sind 70 Prozent nach einer Woche vergeben. Manchmal beschweren sich Paten, wenn sich ein gesponsertes Hoch nach wenigen Stunden bereits wieder auflöst. Dann ist die FU kulant und bietet das nächste freie Hoch kostenlos an.

Sehr beliebt sind in Berlin Tierpatenschaften. Man kann sie sowohl im Zoo und Aquarium übernehmen als auch im Tierpark in Friedrichsfelde. Prominente Bewohner wie Knut sind schon vergeben, noch keinen Paten hat dagegen Jaguar Ambato im Tierpark. Er ist erst acht Wochen alt und so niedlich, dass die Patensuche nicht lange dauern wird, schätzt Mitarbeiterin Regina Bütow. Aber auch weniger süße Tiere wie etwa Flughunde würden nachgefragt, „selbst solche, die bei mir persönlich kein bisschen Patengefühl aufkommen lassen würden“. Ein echtes Rätsel ist Bütow, warum ausgerechnet die mehr als 30 Eulen alle Paten gefunden haben. „Jeden Monat muss ich neue Anfragen zu den Vögeln ablehnen.“ Eine Theorie lautet: Eulen sind so begehrt, weil Harry Potter auch eine hat.

500 bis 5000 Euro kostet eine Tierpatenschaft, dafür darf man sich mit den Pflegern unterhalten und hinter den Kulissen dem Tier so nah begegnen, wie es für beide Seiten sinnvoll ist: Der Pinguinpate darf bei der Fütterung ausnahmsweise im Gehege dabei sein, eine Rentier-Patin durfte streicheln, als das Tier noch klein genug war. Eine Sponsorin wollte in den Affenkäfig, erinnert sich Bütow. „Das mussten wir energisch ablehnen.“

Problemloses Anfassen ist im Botanischen Garten in Dahlem möglich. Da stehen 22 000 Pflanzenarten zur Auswahl, der Mindestbetrag ist 250 Euro jährlich. Bei Pflanzen, die nur wenige Wochen des Jahres über der Erdoberfläche zu sehen sind, gibt es Preisnachlass.Und das Angebot ist enorm, sagt Sprecherin Gesche Hohlstein. Gerade zu vergeben ist zum Beispiel der 20 Meter hohe Cercidiphyllum Japonicum; der Kuchenbaum. Wenn jetzt im Herbst die Blätter fallen, sondert er einen angenehmen Geruch ab: „Es riecht wie frisch gebackener Kuchen.“ Dann ist da die fleischfressende Kobrapflanze aus Kalifornien, deren Blüten wie Schlangenköpfe aussehen. Und der sonderbare südamerikanische Kaktus im Gewächshaus hat auch noch keinen Paten. Dessen Blüten öffnen sich nur in einer einzigen Nacht des Jahres, nach zehn Stunden sind sie verblüht. Deshalb heißt die Pflanze „Königin der Nacht“.

Der Botanische Garten hat sein Angebot erweitert. Für 500 Euro kann man auch die Patenschaft für eine Bank übernehmen und bekommt eine Metallplakette mit seinem Namen ins Holz genagelt. Die Bänke, von denen man die beste Aussicht hat, sind leider schon auf Jahre vergeben, sagt Hohlstein. Die mit Blick über den großen Teich etwa sei bis weit ins nächste Jahrzehnt abbezahlt.

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