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© Miriam Knickriem/promo

Design: Entscheidungen von Tragweite

Warum mag Barbara Schöneberger schwarze Rollis? Warum meidet Renate Künast Rüschenblusen? Die Berliner Designerin Anna von Griesheim verrät es in ihrem neuen Anzieh-Ratgeber.

Eine weiße Bluse ist eigentlich unpraktisch, weil sie nach einem Tag gewaschen und gebügelt werden muss. Warum ist sie trotzdem unentbehrlich in jedem Kleiderschrank? Und darf ein Kleid unter dem Mantel hervorlugen oder nicht?

Die Berliner Designerin Anna von Griesheim hat einen Ratgeber geschrieben für Frauen, die „einfach gut angezogen sein wollen“. Es geht um Lieblingsstücke, um Jeans und T-Shirts, um Schuhe, Wäsche und vor allem darum, authentisch zu wirken. Das bedeutet, sich selber anzunehmen mit allen kleinen Macken und Unzulänglichkeiten. Frei zu werden von unerreichbaren Vorstellungen. Die Designer, die von androgynen Schönheitsidealen gefesselt sind, haben die Modewelt zum Kummer kurviger Frauen lange geprägt. Zunehmend regt sich Widerstand dagegen, zum Beispiel bei der einflussreichen Zeitschrift „Brigitte“.

Anna von Griesheim erzählt ihren eigenen Werdegang zur Designerin, lässt aber auch andere Frauen zu Wort kommen, die gut aussehen wollen, aber definitiv keine Modepüppchen sind.

Grünen-Chefin Renate Künast etwa verrät, dass sie ihre Lieblingskleidungsstücke „Wohnteile“ nennt, weil sie sich unterwegs darin fühlt wie zu Hause. Ein großer braungrüner Kaschmir-Seiden-Schal gehört dazu. Wenn sie über den Winterfeldtmarkt geht, mag sie am liebsten Jeans, im Beruf trägt sie Hosenanzüge. Besonders liebt sie die türkisfarbenen Cowboystiefel, die sie mal in Denver gekauft hat, wohingegen sie niemals Rüschenblusen tragen würde, weil sie die „matronig“ findet. Vielleicht auch, weil sie nicht an die junge Angela Merkel erinnern möchte? Sehr einleuchtend ist ihre Begründung, warum sie Blusen aus dem Globetrotterladen schätzt: „Weil man die auf Reisen mal rasch in Shampoo waschen kann.“

Barbara Schöneberger gibt zu, dass ihre „aktive Garderobe“ nur aus etwa zehn Teilen besteht, obwohl sie ein ganzes Zimmer voller Klamotten hat. Privat würde sie am liebsten immer schwarze enge Rollis mit Ärmeln tragen. Bei feinen Abendveranstaltungen verlässt sie sich auf Kleider, die sie oft und gern trägt und in denen sie sich wohl fühlt.

Sabine Christiansen würde niemals Latzhosen tragen, weil sie sich darin wie ein Känguru vorkäme. Wenn sie sich sicher fühlen will, hält sie sich an den alten Hamburger Spruch: Du kannst alles tragen, Hauptsache, es ist dunkelblau. Ihre Vorbilder sind Audrey Hepburn und Jane Birkin. Sie besitzt jeweils einen Kleiderschrank in Paris und einen in Berlin und zieht sich in jeder Stadt unterschiedlich an.

Das sind drei idealtypische Frauen, für die Anna von Griesheim ihre Mode entwirft. Sie sind erfolgreich, viel beschäftigt, wollen und müssen gut aussehen, können sich aber nicht dauernd mit ihren Sachen auseinandersetzen.

Manchmal entsteht aus einem Small Talk heraus eine Idee für eine Kreation, zum Beispiel für ein warmes Abendkleid. Was Modezeitschriften nicht unbedingt verraten, kann man bei der 43-jährigen Designerin lernen. Unterkleider etwa, von deren Existenz viele Frauen nicht mal mehr wissen, feiern gerade ein Comeback, und wenn man sie als Nachthemd verwendet, kreieren sie einen extrasinnlichen Effekt à la Sophia Loren. Einfache kleine Tricks wie den, dass es schon viel ausmachen kann, sich die Augenbrauen in Form zu zupfen, wenn man sich sonst nicht schminken mag, kommen ebenso vor wie die Warnung, dass permanentes Make-up furchtbar aussieht.

Es ist übrigens auch kein reines „Mädchenbuch“, wie sie selber es nennt. Besonders das Kapitel über Handtascheninhalte dürfte auch Männer faszinieren. Die Frage, wieso sich eine Handtasche oft wie ein Sack Kohlen anfühlt, ist ja auch ein beliebter Party-Talk, und hier findet man Antworten. Im Glossar werden Kleidungsstücke wie Hoodie, Cut oder Cache-Coeur erklärt. Ganz lustig ist die Art, wie die Berliner Designerin immer wieder ihre eigenen Kreationen als gute Beispiele anführt, obwohl sie im Gespräch darauf Wert legt, dass sie keine Werbung betreiben will. „Mir kommt es nur darauf an, meine Erfahrung weiterzugeben.“

Zu begrüßen ist in jedem Fall die Grundbotschaft des Buches: Mode muss kein Feind sein, der einen veranlasst zu hungern oder sich im Fitness-Studio zu kasteien, nur um am Ende dazustehen wie jemand, der man gar nicht ist. Es geht darum, mit wenigen, gut passenden Basics in Verbindung mit aktuellen Akzenten und Accessoires immer frische Kombinationen zu schaffen. Dann wird die Mode zur Verbündeten.

„Anna von Griesheim: Einfach gut angezogen. Wie jede Frau ihren eigenen Stil findet“ ist im Droemer-Verlag erschienen. 192 Seiten, 19,95 Euro.

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