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Stadtleben: Die Freuden des Weißdorns

Oasen in der Steinwüste: Hans Stimmann würdigt die neue Berliner Gartenbaukunst

Hans Stimmann ist im produktiven Unruhestand. Kaum aus dem Amt des Senatsbaudirektors geschieden, hat er sich aufs Publizieren verlegt. Neueste Frucht dieser Arbeit – die bei ihm immer auch Arbeit am eigenen Nachruhm bedeutet, schreibt er doch über Dinge, die er selbst zu verantworten hat – ist ein Buch über „Neueste Gartenkunst in Berlin“, hervorragend bebildert von Erik-Jan Ouwerkerk. „Die vorhandenen und neu entstandenen öffentlichen Räume“, schreibt Stimmann darin, „haben im Alltag der Stadt gerade bei Menschen der Computergeneration eine Bedeutung erlangt, die wohl auch die größten Optimisten traditioneller europäischer Stadtstrukturen nicht erwartet hatten.“ Das legt die Messlatte hoch: Werden denn die neuen Gärten, Parks und Plätze dieser Bedeutung gerecht? Da kann man, jedenfalls im Zentrum Berlins, bisweilen ins Zweifeln geraten. Die angeschrägten Wiesen von Tilla-Durieux- und Henriette-Herz-Park, beide nahe dem Potsdamer Platz, bieten nicht mehr als karge Flächen, und der seltsam gestaltlose Spreebogenpark vermag mit dem nahen Tiergarten eines Lenné wahrlich nicht mitzuhalten. Man merkt diesen öffentlichen Räumen die Vorsorge vor Übernutzung und Vandalismus an – sie sind einsehbar, strapazierfähig und pflegeleicht. Einen Zaun samt nächtlichem Zutrittsverbot zu verfügen, wäre dem unerschütterlichen Sozialdemokraten Stimmann nie in den Sinn gekommen. Immerhin, der Platz der Republik kann mit seinen strengen Weißdornhecken einen preußisch-kargen Jahreszeitenzauber entfachen.

Überhaupt sind die Plätze und Promenaden besser gelungen. Geradezu enorm ist der Qualitätssprung gegenüber früheren Jahrzehnten. Das Spreeufer im Regierungsviertel mit seinen platzartigen Erweiterungen hat Grandezza, unter grauen Wolken, erst recht aber bei aufgeräumtem Himmel. „Die Räume der Stadt“, hält Stimmann fest, „sollen ihren spezifischen Beitrag zur Entschleunigung leisten.“

Voilà: Wer alle Sinne erfreuen, ja überhaupt erst entfalten will, wende sich daher zum Erholungspark Marzahn mit seinen wunderschönen Kulturimporten in Gestalt der „Gärten der Welt“. Und vollendetes Glück findet, wer den Privatgarten des Liebermann-Hauses am Wannsee durchstreift oder das Glück hat, zur Parlamentarischen Gesellschaft eingeladen zu werden.

Das Buch wäre vollständig, hätte sich der Autor zu passenden Worten über den Vandalismus des Wasserstraßenamtes verstanden, das die Landwehrkanal-Ufer abholzen ließ. Das waren öffentliche Räume par excellence, bevor sie in den Sechzigern zu Rennstrecken aufgerüstet wurden. Rückbau? Im Tiergarten gibt es ihn, wo jahrzehntelang die „Entlastungsstraße“ dröhnte. Vorbildlich! .



— Hans Stimmann, Erik-Jan Ouwerkerk (Fotos)
: Gärten, Plätze, Promenaden. Neueste Gartenkunst in Berlin. Nikolai Verlag, Berlin. 192 Seiten, 240 Abbildungen, 59,90 Euro.

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