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Stadtleben: Die Schönen und die Leichen

Die eine sitzt am Spreeufer, die andere im Kinosaal. Und beide sind tot Ein Fall für die neunte Mordkommission – und der Start einer neuen Krimireihe

Taubenfüttern kann tödlich sein. Jedenfalls wirkt die junge Frau, die am Spreebogen steif auf der Parkbank sitzt, recht leblos. Und wer jetzt an eine natürliche Todesursache denkt, hat die lange Nadel noch nicht gesehen, die tief in ihrem Brustkorb steckt.

Psychopathen gibt es in Berlin ja reichlich, das weiß auch Paula Zeisberg, die Leiterin der neunten Mordkommission. Was den Fall mit der Parkbanktoten aber wirklich gespenstisch macht: Der Mörder hat sein Opfer offenbar als Teil einer Kunstinstallation hergerichtet, deshalb ließ er auch ein paar ausgestopfte Tauben am Tatort zurück. Um diesen Fall zu lösen, muss Paula Zeisberg in Berlins Kunstszene ermitteln. Auch ein forensischer Gutachter und eine befreundete, sehr attraktive Staatsanwältin helfen.

Geht es nach Andrea Vanoni, der Autorin des gerade erschienenen Thrillers „Im Herzen rein“, wird Paula Zeisberg so etwas wie Berlins weiblicher Kurt Wallander. Nur dass diese nicht so viel grübelt wie der Schwede. Und nicht so zerstreut ist wie Columbo oder gar neurotisch wie Monk. Sondern: gradlinig, verlässlich, auf Zack. Das kann Berlin gut gebrauchen.

Die Ermittlungen führen Zeisberg und ihre Helfer quer durch Berlin, mal wird im Tiergarten und der City-West, mal in der Charité nach neuen Indizien gesucht. Die Orte sind der Autorin vertraut, seit 1982 lebt sie zumindest monatsweise in Berlin, derzeit pendelt sie zwischen Maastricht und Wilmersdorf. Auch die Beschreibung der Polizeiarbeit ist reich an Details und glaubhaft. Das liegt daran, dass sich Vanoni beim Landeskriminalamt Tipps geholt hat. Auch von einem Gerichtsmediziner ließ sie sich beraten – was man besonders beim Lesen der Obduktionsszene merkt. Die könnte auch aus der Feder von Charlotte Roche stammen, da werden Rippen zersägt und Organe entnommen, dass es zwar keine Freude ist, aber man doch einiges dazulernt. Zum Beispiel, wie einfach sich am Grad einer Leichenstarre der Todeszeitpunkt berechnen lässt.

Trotzdem finden die Ermittler zunächst keine heiße Spur, und bald wird die nächste junge Frau tot in Sitzhaltung entdeckt, diesmal im Kinosaal des Filmpalasts am Kurfürstendamm. Und als Zeisbergs Freundin, die Staatsanwältin, auch noch das Gefühl bekommt, der Täter habe es eigentlich auf sie selbst abgesehen, wird dem Leser erst recht mulmig. In Verdacht gerät schließlich ein Installationskünstler namens Josef Heiliger, der sich auffällig benimmt und seinen Werken Namen gibt wie „Der symbolische Tod“ oder „Requiem für drei Augäpfel“. Aber ist es wirklich so einfach?

Dass „Im Herzen rein“ der Auftakt zu einer Krimireihe sein soll, ist ein bisschen gemogelt. Tatsächlich ließ Vanoni ihre Kommissarin schon im 2005er Roman „Totensonntage“ ermitteln, damals ging es um Morde in Grunewald. Aber da stand Vanoni noch beim Konkurrenzverlag unter Vertrag, und das Buch hat sich angeblich schlecht verkauft. Also noch mal von vorne.

So viel kann man wohl verraten: Paula Zeisberg wird den Nadelstichmörder möglicherweise überleben. Schließlich sitzt die Autorin schon am nächsten Teil. Der soll auf mehreren Berliner Friedhöfen spielen. Es könnte Tote geben.







— Andrea Vanoni:
Im Herzen rein. Diana Verlag, München. 512 Seiten, 8,95 Euro. Am 7. Mai liest Vanoni in der Emerson-Gallery, Gartenstr. 1 in Mitte.

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