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Stadtleben: Die wahre Redefreiheit

Der Berliner Kabarettist Marc-Uwe Kling ist erneut Meister des deutschsprachigen Poetry Slam

Der Meister im Poetry Slam kommt wieder aus Berlin. Der 25-jährige Marc-Uwe Kling hat im Finale der deutschsprachigen Slam-Meisterschaften im Admiralspalast seinen Titel verteidigt. „Es ist ein irres Gefühl, vor 1750 Zuschauern zu stehen“, schwärmt der Autor, der auch schon Slams mit acht Zuschauern erlebt hat. Selten dürfte sich das Publikum im Admiralspalast so stimmgewaltig gezeigt haben wie an diesem Samstag, als es galt, aus zwölf Poeten, die sich durch Vorrunden und Halbfinals gekämpft hatten, einen Sieger zu küren. Wortgefechte tobten nicht nur auf der Bühne. Fiel eine Wertung niedrig aus, wurde die Jury wild beschimpft. „Lasst alles raus“, lockte Moderator Sebastian Krämer.

Alles raus lassen – darum geht es bei den Dichterwettstreiten, bei denen Poeten fünf Minuten Zeit haben, ihre Texte vorzutragen. Eine Mobilfunkmarke, die mit dem Slogan „Die neue Redefreiheit“ wirbt, sah sich deshalb als perfekten Sponsor der Meisterschaften. Eine Steilvorlage für den politischen Kabarettisten Kling, der es sich nicht verkneifen konnte, den Unterschied zwischen Redezeit und Redefreiheit klarzustellen. Am Ende seines Vortrags ertönte ein ironisches Stoßgebet: „Und erlöse uns von dem Übel des Geistes im Namen des Networking, des Customer Research und der neuen Redefreiheit!“ Der Text war von einem Brecht-Gedicht inspiriert. „Ich habe noch heute Nachmittag ein paar Änderungen eingebaut“, verriet Kling hinterher grinsend. Den Hauptpreis, eine Handy-Flatrate für zwei Jahre, gab er an einen Zuschauer weiter.

Der Philosophiestudent, der kein Geheimnis aus seiner linken Haltung macht, nutzt jede Gelegenheit, um seine Bühnenerfolge mit Zeitkritik zu verbinden. Wenn er auf Lesebühnen und Kabarettveranstaltungen zur Gitarre singt, nimmt er gerne mal Rache an Josef Ackermann, den Chef der Deutschen Bank – ironisch gebrochen durch eine Stimme, die klingt, als hätte man ihn gerade aus dem Bett geworfen. „Politisches Kabarett ist nur gut, wenn es nicht wild in alle Richtungen schlägt, sondern eine politische Haltung dahinter steht“, findet Kling.

Im Admiralspalast zeigte sich einmal mehr, wie gut er es versteht, ein Unbehagen, das andere nur spüren, in griffige Worte zu fassen. In seiner Danksagung forderte Kling die Zuschauer selbst zum Schreiben auf: „Das ist die wahre Redefreiheit!“ Kolja Reichert

Marc-Uwe Kling moderiert monatlich den Kreuzberg Slam (www.kreuzbergslam.de). Vom 23. bis 27. Oktober spielt er im Mehringhoftheater.

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