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Ehemalige DDR: Als Hip-Hop rübermachte

Das gab es tatsächlich: US-Breakdance in der DDR. Die passenden Sportanzüge wurden aus Bettlaken und Fahnenstoff geschneidert. Der Film "Here we come“ erzählt von dieser Welle im Osten.

Thomas Gottschalk und seine Sendung „Na sowas“ waren schuld, und das ZDF-Abendjournal. „Ich hab die Hip-Hopper im Fernsehen gesehen, das hat mich total gepackt“, erinnert sich Mike „Magic“ Mayer von der früheren DDR-Breakdance-Gruppe „Stretch Breakers“. Eigentlich leitete der Name sich vom Scratchen, vom Vor- und Zurückschieben des Vinyls auf dem Plattenteller, ab, doch wie man das Wort richtig schreibt, wussten die Jungs nicht. Die Mauer zwischen der BRD und der Deutschen Demokratischen Republik stand Anfang der 80er Jahre unerschütterlich, doch Modetrends überwanden die Grenze. „Here we come – Hip-Hop in der DDR“ heißt der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm des Berliners Nico Raschick – er kommt heute um 18 Uhr auch zur Filmvorführung im Rahmen des Mädchen-Hip-Hop-Festivals „We B-Girlz“ im Kino Eiszeit in der Kreuzberger Zeughofstraße 20. Im Film kommen DDR-Hip-Hopper zu Wort, alte Tanzshowmitschnitte sind ebenso zu sehen wie Dokumente des DDR-Ministerrats, schließlich mussten Auftritte von Gruppen zu sozialistischen Zeiten vom Staat genehmigt werden. Der 30-jährige Filmemacher Raschick spürte Rapper, Breakdancer und Schallplatten-DJs auch in seiner Geburtsstadt Dessau auf: „Ich selbst war bei der Wende elf Jahre alt, bin kein Hip-Hopper, durch einen Freund auf das Thema gekommen – und jetzt mehr ungewollt zum lebenden Archiv geworden.“ Erst wurden Jugendliche bei Breakdance-Einlagen auf der Straße mit Muttis weißen Hochzeitshandschuhen noch von der Staatssicherheit auf Lkw-Ladeflächen zum Verhör gebracht. Dass die Jugendkultur aus dem US-Kapitalismus ihren Siegeszug im Sozialismus bis in den Palast der Republik antrat, war letztlich dem Film „Beat Street“ zu verdanken. Den produzierte der in der DDR geschätzte Harry Belafonte, er präsentierte Hip-Hop als Protestkultur der im Imperialismus unterdrückten Minderheit.

So ließen sich die Jungs „Puma“-Jogginganzüge aus Fahnenstoff und alten Bettlaken von ihren Müttern nachschneidern. Gab es keine Sprühdosen, wurden Graffiti mit Pinsel gemalert. Gerappt wurde sogar auf Englisch. „Ich habe den Film gemacht, weil ich ein anderes, alltägliches DDR-Bild zeigen wollte und nicht das ,Sonnenallee‘- oder ,Das Leben der anderen‘-Klischee“, sagt Raschick. Die gummipuppenähnlichen Bewegungen und die Helikopter-Körperdrehung beherrschen die Protagonisten noch heute. Einige betreiben inzwischen Musikverlage. Breakdancer „Spaiche“ hat das umstrittene, erfolgreiche Plattenlabel „Aggro Berlin“ mitgegründet.

Einmal wurden die Rapper aber mächtig ausgebremst. Für die 750-Jahr-Feier in Berlin hatten Hip-Hopper aus der ganzen Republik monatelang eine Choreografie geprobt. Als sie damit beginnen wollten, wurden sie von Stasi und Vopos gestoppt – und mussten brav winkend an Staatschef Erich Honecker vorbeiziehen.

Film- und Musik-DVD-Pakete (30 Euro): www.herewecome.de und www.miromar.de. Schulvorführungen auf Anfrage.

Annette Kögel

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