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English Theatre: Yes, they can!

Deutschsprachige Stücke laufen woanders: Das English Theatre in Kreuzberg feiert sein 20-jähriges Bestehen. Auf der Bühne stehen nur Muttersprachler.

Eine große Stadt, es könnte Berlin sein, junge Menschen, die sich begegnen und doch die Gelegenheit zum Glück ständig vorüberziehen lassen: „Private Fears in Public Places“ des Londoner Autors Alan Ayckbourn ist ein ruhiges Stück, das alle Katastrophen und sonstige Besonderheiten vermeiden will. Und doch ist etwas Besonderes daran: Alle Darsteller sprechen Englisch. Wir befinden uns im Kreuzberger English Theatre, dem einzigen seiner Art in Berlin – deutschsprachige Stücke kommen hier nicht auf die Bühne. Kann das funktionieren? „Es funktioniert seit 20 Jahren ganz hervorragend“, sagt Bernd Hoffmeister, Geschäftsführer und Gründer des Theaters. Heute Abend werden die ersten beiden Jahrzehnte im Rahmen einer Gala mit Überraschungsgästen und Modenschau gefeiert.

Dass in dem malerischen Hinterhof in der Fidicinstraße, in dem einst die Firma Wittenbecher Fernsehgeräte herstellte, ein Theater entstehen würde, und gar ein englischsprachiges – das war keineswegs von Anfang an klar. Hoffmeister, der in den 70er Jahren als Möbelrestaurator aus dem Württembergischen nach West-Berlin gekommen war, betrieb hier ab 1985 eine „Werkstatt für Bühnenbildrecycling“, die er „Freunde der italienischen Oper“ nannte, obwohl es gar keine Opern zu sehen gab, auch keine italienischen. „Mir gefiel der Name“, so Hoffmeister. Er übernahm ihn von der ehrenwerten Mafia-Gesellschaft aus seinem Lieblingsfilm, Billy Wilders „Manche mögen’s heiß“ . Bald entwickelten Schauspieltruppen eine Vorliebe für Hoffmeisters Werkstatt, ab 1990 führten sie hier auch Stücke auf, nach einigen Erfolgen mit englischsprachigen Werken ab 1993 nur noch in dieser Sprache. „Wir mussten uns abgrenzen. Als Gemischtwarenladen hatten wir keine Chance“, sagt Hoffmeister. Der Name wechselte zu „Friends of Italian Opera.“

Bis heute treten hier nur Muttersprachler auf. Sie rekrutieren sich aus einem Pool an britischen, kanadischen oder amerikanischen Darstellern, die in Berlin leben. „Die Stadt ist unglaublich attraktiv für englischsprachige Schauspieler“, erzählt Günther Grosser, der seit 1993 künstlerischer Leiter ist. „Die kommen für ein paar Jahre her, weil sie hier etwas auf die Beine stellen wollen.“ Auch das Publikum bestehe zu einem Drittel aus Muttersprachlern, von denen in Berlin rund 100 000 leben, schätzt Grosser. Rund fünf Eigenproduktionen und fünf Gastspiele bietet er pro Spielzeit an. Wichtig ist ihm eine große Bandbreite an Stücken, mit Schwerpunkt auf der Klassischen Moderne, auf Eugene O’Neill, Tennessee Williams oder Harold Pinter. Klassiker werden eher selten aufgeführt. „Das liegt auch an den Möglichkeiten unserer Bühne“, sagt Grosser. „Finden Sie mal ein Shakespeare-Stück, in dem weniger als zehn Personen auftreten.“

Der Senat hat längst entdeckt, dass das Theater eine für Berlin wichtige Ausstrahlung hat. Seit einigen Jahren fördert er es mit rund 100 000 Euro im Jahr, die natürlich, wie Bernd Hoffmeister nicht vergisst anzufügen, „überhaupt nicht ausreichen. Das wandert vollständig in Miete oder Heizung. Produktionen können wir damit nicht bezahlen. Die Künstler finanzieren sich durch die Abendkasse“.

2006 bezogen die „Friends“ einen größeren Saal und bespielen seither zwei Bühnen, eine mit 60 und eine mit 150 Plätzen, gemeinsam mit dem Theater Thikwa. Damals wurde auch klar, dass die Hürde des unverständlichen Namens zu hoch ist, dass das Theater bei Google nicht zu finden war – und deshalb ein neuer Name her musste: English Theatre, schlicht und einfach. „Das tat schon weh“, erzählt Hoffmeister, „wir hatten ja vorher einen wunderbaren Namen, unter dem uns heute immer noch viele Leute kennen.“

Bis heute lassen sich die beiden Theatermacher neue Formate einfallen, zum Beispiel das „Berlin Sofa“, auf dem englischsprachige Prominente aus Berlin aus ihren Lieblingsbüchern vorlesen – erstmals am 31. Oktober mit Gayle Tufts und Cynthia Barcomi. Letztere betreibt seit 1994 gleich um die Ecke, in der Bergmannstraße, eine beliebte Kaffeerösterei. Das englischsprachige Herz von Berlin schlägt eben in Kreuzberg.

www.etberlin.de

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