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Fastenmonat: Zwischen Kuchen und Koran

Am Sonntag endet der Fastenmonat Ramadan. Auch Hannaa hat Verzicht geübt. Sie ist eine von Berlins rund 248.000 Muslimen in Berlin. Eine Reportage.

In Neuköllns Sonnenallee ist das Leben seit Wochen aus dem Takt. „Wegen Ramadan erst ab 16 Uhr geöffnet“, heißt es an vielen Geschäften. Müde wirken viele Passanten, wollte man ihren Gemütszustand vertonen, müsste wohl ein Raubtier knurren. Ähnlich klingt derzeit auch der Magen von Hannaa El-Fata. Die 22-jährige Konditoreiverkäuferin fastet. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang – „Shuruq 06:36, Maghrib 19:30“ verkündet der Kalender an der Wand in mathematischer Nüchternheit.

Der Fastenmonat Ramadan ist eine der fünf Säulen im Islam und somit Pflicht für jeden Moslem – laut Amt für Statistik sind das rund 248.000 Berlinerinnen und Berliner. Vom Ramadan ausgenommen ist, wer körperlich nicht zum Fasten in der Lage oder auf Reisen ist. Da der islamische Kalender sich nach dem Mond richtet, verschiebt er sich jährlich um etwa elf Tage. Dieses Jahr verzichten die Muslime vom 21. August bis zum kommenden Sonntag auf Essen, Trinken, Rauchen, sowie auf Geschlechtsverkehr.

Die fein sortierten arabischen Süßigkeiten, die sich auf dem Konditorei-Tresen türmen, wirken da als verführerische Qual. „Das macht mir nichts. Ich mag eh lieber Schokolade“, versichert Hannaa. Der Durst dagegen sei hart, vor allem, wenn der Ramadan, wie in diesem Jahr, in die Sommerzeit fällt. „Schon der Gedanke daran macht Kopfschmerzen.“ Aufgeben kommt für sie aber nicht in Frage. Sie freue sich in dieser Zeit jedoch anders als sonst auf ihre Menstruation. „Wenn Frauen ihre Regel haben, sind sie unrein und dürfen weder beten, noch fasten.“

Der Fastenmonat sei ihr wichtig, um zu verstehen, wie arme Menschen darben – allerdings fühle sie sich dadurch nicht zur Mildtätigkeit verpflichtet, wenn sie wie jeden Morgen in der U-Bahn vom Motz-Verkäufer angesprochen wird. „In Deutschland gibt es keine armen Leute. Das Arbeitslosengeld reicht zum Leben“, meint die gebürtige Libanesin. Sinnvoller findet sie das Zakat, eine Spende, die sich nach dem Vermögen berechnet und die Muslime alljährlich an Bedürftige geben.

Ein anderer Brauch sei es, im Fastenmonat den ganzen Koran zu lesen. „Das krieg’ ich nie hin. Da ich auf arabisch halb so schnell lese, schaffe ich immer nur die Hälfte“, sagt Hannaa. Die Traditionen im Ramadan würden alle Muslime ähnlich begehen. „Mein Chef ist Schiit, ich bin Sunnitin. Der einzige Unterschied ist, dass er erst zehn Minuten später essen darf.“

Der Ramadan verändert den Alltag in muslimisch geprägten Nachbarschaften: Geschäfte und Lokale sind abends länger geöffnet, in den etwa 125 Berliner Moscheen treffen sich die Muslime zum gemeinsamen Fastenbrechen, Iftar, mit anschließendem Gebet. „Wir haben mehr Kunden im Ramadan, es gibt sogar besondere Süßigkeiten, die man das restliche Jahr über nicht kaufen kann“, sagt sie und zeigt auf ein Gebäck aus Pudding und Pistazien. Dass Muslime tagsüber fasten, nachts dafür umso mehr essen, hält sie für ein Vorurteil. „Wenn ich den ganzen Tag nichts esse, kann ich nachts gar nicht viel in mich hineinstopfen.“

Eine Neuköllner Apothekerin bestätigt, dass mehr Muslime mit Magenproblemen kommen, die Wartezimmer der Ärzte sind dagegen leerer. „Sie dürfen ja nur nachts Medikamente nehmen“, sagt ein türkischer Allgemeinmediziner und beißt lächelnd in eine Möhre. „Ich bin Moslem, faste aber nicht. Es schädigt die Nieren, 15 Stunden nichts zu trinken und das unregelmäßige Essen belastet den Magen.“

Hannaa hingegen ist sicher, fasten reinige den Körper. Dennoch freue sie sich auf das Ende der Fastenzeit, das mit dem Ramadanfest gefeiert wird. „Drei Tage lang beten wir, bekommen Besuch und essen Süßigkeiten.“ Besonders freue sich Hannaa wieder auf ihren Kaffee zum Frühstück. „Ohne den bin ich morgens gar nicht ansprechbar.“ So wie viele der müden Gesichter dieser Tage auf der Sonnenallee.

Am Montag, den 21. September, findet die Konzertnacht „Die Nacht nach Ramadan“ in der Kulturbrauerei (Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg) statt. Los geht es um 20 Uhr, der Eintritt kostet sieben Euro an der Abendkasse. Weitere Informationen unter: www.naechtedesramadan.de

Tina Gebler

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