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Fedor Pfistner: Gute Seele der Kanäle

Fedor Pfistner ist Berlins einziger Schifferpfarrer. Sein Boot trägt den Namen "Arche Nova".

Fedor Pfistner gibt Gas. Der Mann mit der Jeansjacke und der Prinz-Eisenherz-Frisur schiebt den Schalthebel nach vorn, so dass der Dieselmotor aufheult, dann setzt sich sein Sportboot in Bewegung. Es ist 10.39 Uhr, die Sonne glitzert auf der grünen Havel, als die „Arche Nova“, Berlins einziges Kirchenschiff, den Westhafen verlässt. Sie geht auf Bootstour – im Namen des Herrn.

Ein Mal in der Woche macht Berlins Schifferpfarrer Leinen los. Fedor Pfistner, 59, pendelt über Havel und Spree, aber auch Oder und Elbe, besucht Binnenschiffer und Menschen, die auf dem Wasser leben. Der Theologe hört sich ihre Sorgen an und predigt Gottes Wort. Sein Boot, die „Arche Nova“, 18 Sitzplätze, 155 PS, dient Pfistner dabei als Gotteshaus.

Zwei Pärchen hat er an Bord getraut, unzählige Andachten unter Deck gehalten, Kinder getauft. Für seine Gottesdienste muss Pfistner die Kombüse zum Altar umbauen. Er stellt Leuchter und Kruzifix auf die Anrichte, verhängt das Küchenregal mit dem Altarvorhang. Dann wird gesungen: „Lobet den Herrn, den mächtigen König der Meere“. Der Abendmahlwein schwappt dazu mit den Wellen im Messingkelch. Seit 1995 gibt es den „mobilen Dienst“ der evangelischen Schiffergemeinde Berlin-Brandenburg. Pfistner hat ihn damals gegründet.

Schleuse Plötzensee. Ein Frachter dampft hupend vorüber, die Besatzung winkt, man kennt den Schifferpfarrer auf den Wasserstraßen Berlins und Brandenburgs. Rund 3000 Menschen besuchen Pfistners Gottesdienste jedes Jahr. So viele wie eine durchschnittliche märkische Dorfkirche.

Rund 30 Schifferpfarrer gibt es in Deutschland, Tendenz fallen. Den Kirchen fehlt das Geld. Auch Pfistners Job ist in Gefahr. Schon 1999 hatte die evangelische Kirche seine Stelle gestrichen, weil ihr die Gemeinde der Binnenschiffer zu klein geworden war. Doch der Skipper des Herrn bat darum, in den „Wartestand“ versetzt zu werden und machte auf eigene Faust weiter. Ein Verein von Schiffern unterstützt ihn seither, zahlt für Diesel und Oblaten. Ob es das schwimmende Gotteshaus noch lange gibt, ist dennoch fraglich. „Die Kirche hat andere Pläne mit mir“, sagt Pfistner. Ende Juni soll der Wartestand aufgehoben werden.

Die „Anny“, ein altes Frachtschiff, liegt am Speicher in Spandau. Fedor Pfistner will nach der Besitzerin sehen. Die Frau soll kürzlich auf ihr Boot gezogen sein. Viele, die das tun, stecken in finanziellen Schwierigkeiten. Der Pfarrer macht fest, ruft, keine Antwort. Dann steigt er über die Reling. Als er zurückkommt, wirkt er zufrieden, „alles in Ordnung“. Die Frau ist aus freien Stücken hier.

Viel Leerlauf gibt es während dieser Fahrten über die Kanäle. Zeit, die Pfistner nutzt, um an seinen Predigten zu feilen oder über seine Leidenschaft nachzudenken: Abends, wenn Pfistner eingelaufen ist an seiner Liegestelle im Westhafen, schnappt er sich sein Keyboard, das mit den 600 Titeln auf der Festplatte, und macht sich auf in die Kneipen der Stadt. „Marino“ nennt sich Fedor Pfistner dann. Berlins Schifferpfarrer singt Rock’n’Roll und deutsche Schlager.

Nach drei Stunden erreicht die „Arche Nova“ ihren Liegeplatz. Am Mittwoch geht Fedor Pfistner wieder auf Fahrt, Binnenschiffer besuchen. Der nächste große Gottesdienst steht im Juli an. Dann predigt Berlins Schifferpfarrer Gottes Wort auf einem Eisbrecher in Eisenhüttenstadt.Tobias Kurfer

Tobias Kurfer

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