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Foto: Edith Held

© Edith Held

Fotoprojekt: Neue Welt - Flüchtlingskinder in Berlin

Die Fotografin Edith Held hat mehr als 100 Flüchtlingskinder in Berliner Heimen besucht. Ihr Bildband "Neue Welt" erzählt von Ängsten und Träumen.

Wie sein Vater erschossen wurde, weiß der zwölfjährige Akram aus dem Irak noch genau: Von hinten, im Streit um Akrams angeblich nicht richtig verschleierte Mutter. Danach sollte sie einen der Täter heiraten, doch Mutter und Sohn flohen nach Deutschland und kamen nach Berlin. Die Fotografin Edith Held hat viele solcher erschütternden Geschichten von Kindern aufgezeichnet, die sie im Rahmen ihres Fotoprojekts „Neue Welt“ in Berliner Flüchtlingsheimen getroffen hat. Fast zwei Jahre lang hat Held daran gearbeitet, 43 Heime angeschrieben, Geschichten aufgezeichnet und mit einer Mittelformatkamera analog fotografiert. Das war nicht einfach, es mussten Genehmigungen eingeholt, Dolmetscher besorgt und besorgte Eltern beruhigt werden. Für einige Kinder machte sie drei Termine, sprach fast vier Stunden mit Einzelnen. Mittendrin wurde das Thema Flüchtlinge zur Krise.

Als Projektergebnis ist ein Fotoband mit Bildern und Geschichten von mehr als 100 Kindern dabei herausgekommen. Intensive Kinderwahrheiten von Familie, Krieg, dem Leben in Berlins Flüchtlingsheimen und Hoffnungen auf ein besseres Leben in Deutschland.

Es sind Kriegserlebnisse dabei, die auch in der neuen Umgebung fortwirken - wie die von Hussein aus Syrien. Der Elfjährige hat in seiner Heimatstadt gesehen, wie sich Kämpfer mit Molotow-Cocktails bewarfen. „Dafür muss man eine Coladose mit Benzin füllen", erzählt er. "Ich würde auch gerne kämpfen. Hier im Wohnheim schneiden wir Pistolen aus alten Pappkartons."

Dennoch sind den Kindern im Leid von Flucht und Vertreibung schöne Erinnerungen nicht ganz verloren gegangen. „Einmal habe ich Delphine gesehen“, erzählt die achtjährige Metra aus Afghanistan von ihrer Flucht übers Meer. Setaesh, 6, träumt immer noch vom Blick aus dem Flugzeug, das sie nach Deutschland brachte.

Die jungen Interviewpartner der Berliner Fotografin machten „überwiegend einen entspannten Eindruck“, berichtet Edith Held. Viele fühlen sich offenbar wohl in Heimen mit vielen sozialen Angeboten für Kinder, erzählt die 49-Jährige. Das zeigt sich auch in ihren Wünschen, die ganz normal wirken. Sie wollen in die Kita, in die Schule, später Kassiererin bei Lidl werden oder Häuser bauen. "Frau. Haus. Lastwagen fahren", sagt Sultan, 10, aus Bosnien und Herzegowina über seine Zukunftspläne. Die elfjährige Razan aus Syrien möchte Lehrerin werden. Im Moment hat sie aber andere Probleme: Ihre Sommersprossen stören sie.

Eine Ausstellung mit 60 ausgewählten Porträts und Geschichten von Berliner Flüchtlingskindern ist noch bis zum 6. August im Übergangswohnheim Marienfelder Allee 66, 12277 Berlin-Tempelhof zu sehen. Öffnungszeiten: Donnerstags bis Samstags von 14 bis 18 Uhr.

Der Bildband "Neue Welt" ist im Selbstverlag erschienen und direkt über die Webseite des Projekts zu bestellen.

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