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Französischer Nationalfeiertag: Isch bin ein Berlineur

Am Mittwoch feiern die Franzosen ihren Nationalfeiertag. Auch hier, denn Berlin zieht viele von ihnen an.

Paris hat keinen Berliner Platz. Léa Chalmont wundert das nicht. Obwohl Berlin der Metropole an der Seine mit dem Pariser Platz am Brandenburger Tor einen der prominentesten der Stadt gewidmet habe, komme von französischer Seite nicht viel zurück. So sei das öfter. Mittlerweile bekommt sie einen Kulturschock, wenn sie, wie zwei oder drei Mal jährlich, in ihre Heimat Frankreich reist. „Man isst so viel und regelmäßig und muss so oft über irgendwas quatschen.“

Ganz wird und will sie Frankreich aber nicht hinter sich lassen. Jeden Tag höre sie Französisch, was auch daran liegt, dass sie Chefredakteurin des französischsprachigen Kulturmagazins „Berlin Poche“ ist. Oder aber, weil sie oft im „Heroes“, einem kleinen französischen Café in der Neuköllner Friedelstraße 49 sitzt. Heute ist hier mal wieder Redaktionstreffen. Die etwa 25 Redakteure sind Mitte 20 und kommen aus dem französischsprachigen Teil von Kanada, Luxemburg und natürlich aus Frankreich.

Die ersten Seiten des nächsten Heftes drehen sich um die deutsche und vor allem die Berliner Kultur – geschichtliche Anekdoten, Traditionen oder auch Rezepte. Die Luxemburgerin Nina Kass überlegt welches Biogericht sie nächsten Monat vorstellen könnte. „Le Kartoffelsalat?“ Zu viel Mayo. Lysandre Coutu-Sauvé aus Kanada hat ein anderes Problem: die Sprache. Sie würde gern ein Ballettstück rezensieren, aber „ist das nicht auf Deutsch?“ Egal, es gehe ja eh ums Tanzen. Besonders solche Veranstaltungen, bei denen Deutsch nicht zwingend nötig ist, stellen sie im Heft vor. Trotzdem soll es sich nicht nur um frankophile Themen drehen. „Viele Deutsche lesen uns, um zu sehen, wie wir über die deutsche Kultur schreiben“, sagt Léa.

Die Idee zu dem seit Oktober 2008 erscheinenden Magazin kam ihr mit drei Freunden, als sie feststellte, wie viele Franzosen eigentlich in Berlin leben. Laut der französischen Botschaft sind rund 9000 in der Stadt gemeldet. Léa aber ist sich sicher, dass es mehr sind. Der Großteil habe sich nur nicht gemeldet. 35 000 schätzt sie, sie habe aber auch schon Leute von 60 000 Menschen sprechen hören. Kleine, ambitionierte Projekte wie das Magazin ließen sich in der – verglichen mit Paris – viel freieren Kulturszene Berlins einfach leichter umsetzen.

Während in dem hinteren Raum des Cafés die Themen besprochen werden, steht Emmanuel Delangle hinter der Theke. In gebrochenem Französisch bestellt jemand zwei Glas Wein. Er lächelt, vielleicht erinnert es den 26-Jährigen an eigene klägliche Bestellversuche in deutschen Kneipen. Den Satz „Ich muss Deutsch lernen“ kann er nach den anderthalb Jahren, die er nun in Berlin wohnt, aber ganz gut. So ziemlich jeder spreche hier Englisch, er sei also nie gezwungen worden die Sprache zu lernen. Eigentlich hatte er „Art et Culture“ in Paris studiert, sich dann aber in die Stadt Berlin verliebt. „Man hat das Gefühl hier atmen zu können.“ Es sei erstaunlich grün und die Deutschen entgegen allen Klischees überraschend offen. Also packte er seine Sachen und beendete sein Studium in Berlin. Jetzt betreibt er mit zwei anderen Franzosen das Café „Heroes“. Ein Ort, an dem man ohne Probleme Französisch sprechen kann, aber „wir wollen nicht die Französische Botschaft von Neukölln sein.“

Nord-Neukölln sei ein Ballungsgebiet junger Franzosen. Umso älter sie werden, desto weiter ziehe es sie gen Norden: Viele wohnen in Mitte oder Prenzlauer Berg, die älteste Generation in Reinickendorf und im Wedding, den Bezirken der ehemaligen französischen Besatzungszone. Dort findet man sogar einige Straßennamen auf Französisch, die Rue Ambroise Paré in der Nähe des Flughafens Tegel zum Beispiel. Dass der Einfluss des Nachbarlandes aber noch weiter in der Berliner Geschichte zurückgeht, zeigen manche Orte in der Innenstadt, wie der Französische Dom in Mitte. Ab Ende des 17. Jahrhunderts flüchteten zahlreiche Hugenotten, protestantische Franzosen, nach Berlin und prägten die Stadt mit.

Gerade der Pariser Platz, den Léa so anerkennt, zeugt jedoch von einem weniger freundschaftlichen Teil deutsch-französischer Geschichte. Seinen Namen erhielt er im Jahre 1814 anlässlich der Eroberung der französischen Hauptstadt durch die preußische Armee während der Befreiungskriege gegen Napoléon. Den Nationalfeiertag am 14. Juli, feiert Frankreich dennoch hier: das traditionelle Straßenfest, die Fête Nationale, mit Ständen und Livemusik. Während Léa vor hat auf dem Ball des deutsch-französischen Volksfestes in Reinickendorf Cancan zu tanzen, kann Emmanuel mit dem nationalen Gehabe nicht viel anfangen. Obwohl: „Wenn die französischen Feuerwehren zum Nationalfeiertag ihre Wachen zum Tanz öffnen – das ist großartig.“

„Berlin Poche“ kostet einen Euro und ist in frankophilen Kneipen und Buchläden oder über www.berlinpoche.de zu haben.

Tina Gebler

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