zum Hauptinhalt
313899_0_5aa3c91d.jpg

© Mike Wolff

Friedensuhr: Pendel der Hoffnung

Jens Lorenz verleiht seit 20 Jahren die Friedensuhr. Diesmal erhält Hans-Dietrich Genscher den Preis.

Genscher bekommt eine Uhr. Keine goldene Armbanduhr, die man gerne überreicht, um Mitarbeiter aus dem Dienst zu verabschieden, sondern eine ganz besondere – eine Friedensuhr.

Deren Geburtsstunde jährt sich in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal, wie der Mauerfall: Es war der 9. November 1989. Im traditionellen Friedenauer Uhren– und Schmuckgeschäft Lorenz stand ein Generationenwechsel bevor: Juwelier Jens Lorenz übernahm die Geschäfte von seinem Vater und zu diesem Anlass wurde ein Kunstwerk präsentiert. Vater und Sohn hatten um ein 150 Jahre altes Uhrwerk eine drei Meter hohe und 2,5 Tonnen schwere Uhr erschaffen: „Die beiden Säulen tragen einen Balken mit der Inschrift ‚Zeit sprengt alle Mauern‘“, sagt Jens Lorenz, der unlängst zum Berliner Unternehmer des Jahres gekürt wurde. „Ziffernblatt und Pendel liegen zwischen den Säulen – die Zeit reißt also gewissermaßen den Torbogen auf.“ Dieses Symbol der Hoffnung auf den Fall der Mauer erwies sich als sich selbst erfüllende Prophezeiung: Kaum hatte Jens Lorenz seine Rede beendet, da erreichte die Nachricht vom Mauerfall die Feiergesellschaft. Menschen lagen sich weinend in den Armen, während das Pendel der Uhr stumm eine neue Epoche einleitete: „Dann ist das ja eine Friedensuhr!“, rief ein Besucher – und legte so den Grundstein für eine jahrelange Tradition.

Jens Lorenz wollte die tiefe Bedeutung dieses Tages weitertragen und schuf den Preis Berliner Friedensuhr. Diesen, eine kleine Replik des großen Originals, verlieh er ab 1992 an Menschen, die sich um die Einheit verdient gemacht hatten: Gorbatschow, Reagan, Kohl. Später erweiterte er den Kreis der Preisträger: „Es ging nicht mehr nur um das Überwinden der Mauer, sondern von Grenzen im allgemeinen – auch der zwischen Arm und Reich.“ So fiel die Wahl im Jahr 1993 auf Mutter Teresa. „Was soll ich denn mit so einer wertvollen Uhr?“, hatte Mutter Teresa erst skeptisch gesagt. Dann aber erschloss sich ihr die Botschaft und sie erklärte sich sogar bereit, Lorenz vor der Kamera einige Fragen zu beantworten. Bis heute liegt dieses Band im Safe, es hat sich noch kein passender Produzent gefunden, der Vatikan aber erkundigt sich alle paar Monate nach der Aufnahme.

Oft erwies sich die Kontaktaufnahme als schwierig, wie im Fall von Papst Johannes Paul II, der nach Lorenz’ langen Telefonrecherchen 1996 geehrt werden konnte. Oder aber eine Antwort blieb aus anderen tragischen Umständen für immer aus – wie im Fall der Journalistin Anna Politkowskaja.

Heute muss Juwelier Lorenz nicht mehr den Hauptteil der Arbeit übernehmen: Seit 2003 verleiht das Berliner Komitee für Unesco-Arbeit seine Friedensuhr. Die erste ging an Avi Primor, den ehemaligen israelischen Botschafter in Deutschland. Mohammed al Baradei, damaliger Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation und US-Ökonom Dennis Meadows zählten seitdem zu den Preisträgern.

Diesmal ist die Wahl auf den ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher gefallen. Am Tag der Menschenrechte würdigt das Komitee seinen Beitrag zur Wiedervereinigung, sein Plädoyer für die Stärkung der Vereinten Nationen und sein Engagement für die weltweite Achtung der Menschenrechte. Die Laudatio hält Avi Primor, für die Bundesregierung spricht Günter Nooke, Beauftragter für Menschenrechtspolitik.

Überreicht aber wird die Friedensuhr Donnerstagabend von Jens Lorenz persönlich. Ehrensache. Lydia Brakebusch

Lydia Brakebusch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false