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Friedrichstadtpalast: Glitzer, Glamour, Girls

Mit einer Gala feiert der Friedrichstadtpalast die Eröffnung seines Hauses vor 25 Jahren Architekt Manfred Prasser hatte zur Inspiration sogar nach Paris fahren dürfen, ins „Moulin Rouge“

Es wird sein wie vor 25 Jahren: der Menschenauflauf. Das Promilächeln ins Blitzlichtgewitter. Festlich blinkt und glitzert der Friedrichstadtpalast, und hinter den Kulissen schwitzen sie aufgeregt im Lampenfieber. Premiere!

Am 27. April 1984 wurde der Neubau mit der Adresse Friedrichstraße 107 als größtes Revuetheater in Europa eröffnet. Ein Vierteljahrhundert später feiert sich das Haus mit einer Jubiläumsgala selbst. Damals und diesmal dabei: Dagmar Frederic. Die Sängerin hatte 1984 die Ehre, das Eröffnungslied zu singen: „Willkommen, schönes neues Haus“. Vom ersten Moment an hatte sie den Palast ins Herz geschlossen. „Was Wimbledon für Boris Becker war, war für mich der Friedrichstadtpalast – quasi mein Wohnzimmer. Wenn ich da gesungen oder gespielt habe, dann war das mein Zuhause“, sagt die Entertainerin, und das habe auch mit den netten Menschen hinter den Kulissen zu tun, den Technikern und all den anderen guten Geistern, die den Unterhaltungstanker auf Kurs halten.

Der alte Friedrichstadtpalast Am Zirkus 1 (neben dem Berliner Ensemble) hatte unter seinem Intendanten Wolfgang E. Struck Revuen und Gastspiele von Ella Fitzgerald, Juliette Greco oder Louis Armstrong erlebt, da wurde vom dankbaren Berliner Publikum so heftig geklatscht und getrampelt, dass die Erde zu beben begann. Das betagte Gebäude – Baujahr 1873, erst Zirkus, dann Theater – stand auf 863 morsch gewordenen Pfählen, bekam Risse und musste gesperrt werden.

Am 29. Februar 1980 ist die unwiderruflich letzte Vorstellung. „Lebe wohl, du altes Haus“, singen sie mit Tränen in den Augen. Die Ballettmädchen heulen, der Intendant greift zum Taschentuch, das Publikum ebenfalls. Dann fällt der eiserne Vorhang des Hauses Der Palast ist tot, aber die Show darf nicht sterben.

Kurz danach treffen sich der „Generaldirektor der Baudirektion Hauptstadt Berlin“, Ehrhardt Gißke, der oberste Baumanager Ost-Berlins, und Architekt Manfred Prasser. Der Mann für schwierige Projekte und knifflige Fragen projektiert gerade das Schauspielhaus, „und nun sollte ich in 14 Tagen den Palast aufs Papier zaubern“, erinnert sich Prasser, der zuvor den Großen Saal im Palast der Republik entworfen hatte. „Ich wollte und sollte ein Revuetheater bauen, das in Europa seinesgleichen sucht.“ Für Prasser ist nichts unmöglich. Er entwirft einen Raum „mit der optimalen Beziehung des Publikums zur Bühne“, also ohne Träger und Säulen, die (wie im alten Haus) die Sicht einschränken könnten. So optimal wie der Saal für 2000 Leute soll auch die Bühne werden: „Ich hab mir vorgestellt, dass da von der Seite ein Sechsspänner reinrollt und die Pferde vorn an der Rampe in einem Ozean absaufen“, also breite und tiefe Bühne, dazu Wasserbecken und Eislauffläche. Außerdem sollten auch Bären, Löwen und Tiger in einer Zirkusarena auftreten, die von der Seite komplett auf die Bühne gefahren werden kann. „Und über den Köpfen sind zwei Flugwerke installiert, da kann die Prinzessin mit dem Hubschrauber gerettet werden“.

Natürlich fordern solch gebaute Spielfantasien kein biederes Nummernprogramm, sondern eine ausgefeilte, vielseitige Show, in der die Macher „mit den Räumen spielen“ und den Zuschauer in verschiedene Welten versetzen. Prasser hatte übrigens die Vorgabe, bestimmte, gerade verfügbare Stahlbinder zu verwenden. Deren Länge bestimmte schließlich die Dimensionierung des Saales und der 24-Meter-Bühne. Und als die Ballettmeisterin klagte, dass ihr Ballett diese Bühne nicht füllen werde, durfte sie das Ballett verdoppeln. Für Manfred Prasser hatte der Palast-Auftrag einen schönen Nebeneffekt: Er durfte mit Stadtbaumeister Gißke nach Paris fahren und gucken, wie das „Moulin Rouge“ funktioniert. Da haben sie ihn auf die Bühne geholt, er musste unter dem Jubel des Publikums einen Cancan tanzen, und er dachte: Was die können, können wir auch, nämlich einen Delphin ins Wasserbecken lassen, der einem Mädchen den Bikini auszieht und das Oberteil ins Publikum schleudert. Ganz so sexy ist es dann bei der Premiere nicht gekommen, vorn saßen Margot und Erich Honecker, der den Neubau von Anfang an gefördert hatte, koste es, was es wolle.

So glanzvoll damals die Premiere war und so froh das Publikum, weil der Tempel der leichtgeschürzten Muse endlich wieder da war – das kleinkarierte Getue der Politbürokraten ging auch hinter der neuen Flitterbühne weiter: Den Zeitungen wurde noch zum Premierentag der Abdruck von Ballettfotos untersagt, weil die dritte Tänzerin von links am Tag zuvor einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Und Conferencier O. F. Weidling wurde nach einem harmlosen Späßchen („Der Genosse Mittag lacht nicht!“) regelrecht kaltgestellt, aus der Wiederholung der TV-Übertragung herausgeschnitten, seine Fernsehsendung abgesetzt. Übrigens ist auch die veredelte Plattenfassade („Kasachischer Bahnhof“) nicht ganz das, was sich Manfred Prasser ausgedacht hatte: „Ich wollte stilisierte tanzende Girls, heiter, geil – aber daraus sind Trauerweiden geworden.“

Am Montag, zur Jubiläumsshow, kann sich das illustre Publikum in der ausverkauften Gala an den tanzenden Girls sattsehen: Das jüngste Erfolgsprogramm „Qi“, das dem Friedrichstadtpalast ein neues Besucherhoch beschert, wird die Gäste ebenso begeistern wie alle Künstler, die Meret Becker als Gastgeberin zu sich auf die Bühne bittet: Höhepunkte aus 25 Jahren und 10 000 Vorstellungen, Lobeshymnen der Stars, die hier gastierten, für ein Haus der Superlative, seine glitzernde Vergangenheit und hoffentlich weiter glänzende Zukunft.

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