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Stadtleben: Ganz große Bauklötze

Schräg gegenüber dem Holocaust-Mahnmal werden Hitlers Pläne für die „Reichshauptstadt“ gezeigt

Am 30. Januar 1950 sollte sie eingeweiht werden, die Große Halle des Volkes für sage und schreibe 180 000 Volksgenossen. Aus bekannten Gründen ist auch aus diesem Plan des Generalbaumeisters Albert Speer nichts geworden, anstelle der größten Versammlungsstätte der Welt steht jetzt der Hauptbahnhof am Ufer der Spree, und das Modell des architektonischen Größenwahns ist gleich zweimal Blickfang in einer neuen Ausstellung des rührigen Vereins Berliner Unterwelten. „Mythos Germania“ wirft dabei ein Licht auf „Schatten und Spuren der Reichshauptstadt“.

Beherrschendes Element der Schau in dem Pavillon an der Gertrud-Kolmar-Straße 14 (Ecke Hannah-Arendt-Straße) schräg gegenüber dem Holocaust-Mahnmal ist das elf Meter lange Modell der Ost-West-Achse, an dem der Architekt und sein Führer, Speer und Hitler, im Film „Der Untergang“ die Verschandelung der Stadt im Kleinformat mit Bauklötzen probiert hatten. (Die monströse Reichshauptstadt-City kam per Sattelschlepper von den Münchener Constantin-Film-Studios nach Berlin). Gleich daneben macht der „Generalbebauungsplan für die Reichshauptstadt des Generalbauinspektors“ deutlich, wie epochal sich das äußere Bild Berlins nach dem Willen seines Führers verändern sollte. Gleich daneben zeigt eine Karte jene Zwangsarbeitslager und Wohnbereiche ehemaliger jüdischer Einwohner, in denen, über die Stadt verteilt, jene Menschen leben sollten, die Hitlers Gigantomanie aus dem Boden zu stampfen hatten. Es gibt viel zu lesen in der Schau, mehrere Dutzend Bild-Text-Tafeln in Deutsch und Englisch, lebendige Historie: die Demontage der Siegessäule, der Bau von Schnellstraßen, die Ost-West-Achse und einen meterhohen Kandelaber dazu.

Ohne einen Cent öffentlicher Fördergelder haben Dietmar Arnold und seine Kollegen vom Verein Berliner Unterwelten diese Ausstellung auf die Beine gestellt, genau in der Mitte zwischen dem einstigen (auch von ihnen kenntlich gemachten) „Führerbunker“, dem Holocaust-Mahnmal und jenem Saal in der Akademie der Künste, in dem einst Hitler und Speer die hier erläuterten Pläne ausgebrütet hatten. Uwe Neumärker vom Mahnmal begrüßte diese Ausstellung nachdrücklich, und Finanzminister Peer Steinbrück, der selbst in einer der „steinernen Manifestationen der Naziarchitektur“ in der Wilhelmstraße arbeitet, erläuterte, wie wichtig es ist, die letzten Spuren eines totalitären Staates zu bewahren und möglichst vielen zu zeigen, wie und mit welchem Ungeist das alles entstand. Der Minister hatte übrigens als Berlin-Historiker das Schild, das seit kurzem den einstigen Standort der Kroll-Oper dokumentiert, aus der eigenen Tasche bezahlt. Lothar Heinke

Ab 15. März, täglich 11 bis 19 Uhr, Eintritt 6 Euro.

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